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Startseite » Montan-Wanderweg » Wer waren die Gewerken? » Gewerken 1861 – 1882 » Der Bergbauingenieur und Unternehmer Adolf Reh (1850–1924) – Stationen eines bewegten Lebens

Der Berg­bau­in­ge­nieur und Unter­neh­mer Adolf Reh (1850–1924) – Sta­tio­nen eines beweg­ten Lebens

von Erich Pau­er, Cent­re Euro­pé­en d’Études Japo­nai­ses d’Alsace (CEEJA)

1 Ein­lei­tung

Durch­fors­tet man Biblio­gra­fien und Kata­lo­ge zu Unter­neh­mern bzw. Unter­neh­mens­ge­schich­ten, so fin­det man unter dem Namen Adolf Reh nur zwei Hin­wei­se: die Unter­neh­mens­ge­schich­ten von 1964 bzw. 1989.[1] In bei­den Wer­ken wird das 1889 in Ber­lin gegrün­de­te Asphalt- bzw. das spä­te­re Stra­ßen­bau­un­ter­neh­men des Adolf Reh in den Mit­tel­punkt gestellt. Auf Her­kunft, Aus­bil­dung und die Sta­tio­nen des erfolg­rei­chen Unter­neh­mens­grün­ders Adolf Reh, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich sei­ner Tätig­kei­ten im Bereich des Berg­baus in ver­schie­de­nen Län­dern, wird aber prak­tisch nicht ein­ge­gan­gen, ein Man­ko, dem mit dem vor­lie­gen­den Bei­trag abge­hol­fen wer­den soll. Das Leben des Adolf Reh war viel­fäl­ti­ger und facet­ten­rei­cher gewe­sen, als es sich in den vor­lie­gen­den Fir­men­ge­schich­ten spie­gelt.

2 Theo­dor Reh, Sohn des „Hof­ge­richts­ad­vo­ca­ten“

Abb. 1: Adolf Reh (1850–1924)

Adolf Reh (Abb. 1) wur­de am 14. Sep­tem­ber 1850 in Darm­stadt, der Haupt­stadt des Groß­her­zog­tums Hes­sen gebo­ren. Sein Vater, Theo­dor Reh (1801–1868) war ab 1822 Advo­kat in Darm­stadt, dann vie­le Jah­re Mit­glied des Hes­si­schen Land­ta­ges, ab 1848 Mit­glied der Natio­nal­ver­samm­lung in Frank­furt und ab 1850 Mit­glied des Reichs­tags.[2]

Mit sei­ner ers­ten Ehe­frau hat­te Theo­dor Reh sechs Kin­der. Wäh­rend der Ehe mit sei­ner zwei­ten Frau, die er 1846 nach dem Tod der ers­ten Ehe­frau hei­ra­te­te, wuchs die Fami­lie noch­mals um drei Kin­der, Ale­xa (1849), Adolph (1850)[3] und Octa­via (1861). Gemel­det war die Fami­lie bis 1867 in Darm­stadt am Mat­hil­den­platz 10.[4]

Wäh­rend die drei älte­ren Brü­der aus der ers­ten Ehe des Vaters ent­we­der beim Mili­tär oder als Advo­ka­ten Kar­rie­re mach­ten, schlug Adolf Reh einen ande­ren Weg ein. Nach dem Gym­na­si­um trat er am 16. Okto­ber 1865 in die Tech­ni­sche Schu­le des Her­zog­tums Hes­sen in Darm­stadt ein. Die­se Tech­ni­sche Schu­le war ein letzt­lich miss­glück­ter Ver­such der Umge­stal­tung bzw. Wei­ter­ent­wick­lung der 1836 ein­ge­rich­te­ten Gewer­be­schu­le. Zwar hat­te die­se frü­he­re Höhe­re Gewer­be­schu­le 1859 die Ein­rich­tun­gen einer poly­tech­ni­schen Schu­le erhal­ten, näm­lich Fach­schu­len für „Bau­kunst“, „Inge­nieur-Wis­sen­schaft“, „Tech­ni­sche Che­mie“, „Mecha­nik“ und „Land­wirt­schaft“,[5] sie behielt aber ihren ursprüng­li­chen Namen bei. Eine ent­spre­chen­de Umbe­nen­nung wur­de zunächst von der Poli­tik als „bedenk­li­cher“ Weg abge­lehnt, statt­des­sen kam es 1864 unter Auf­ga­be des Sys­tems der Fach­klas­sen zu die­sem kurz­le­bi­gen Expe­ri­ment namens Tech­ni­sche Schu­le. Erst 1868, nach einem auf die­se Umbe­nen­nung zurück­zu­füh­ren­den rapi­den Rück­gang der Schü­ler­zahl, wird die Aus­bil­dungs­stät­te dann ihrem Aus­bil­dungs­um­fang und ‑niveau ent­spre­chend Poly­tech­ni­kum genannt.

Adolf Reh kam also in einer schwie­ri­gen Pha­se der Schul­ent­wick­lung an die­se Anstalt. Er besuch­te dort von 1865 bis 1867 zunächst die (zwei­se­mes­tri­ge) „Unte­re All­ge­mei­ne Clas­se“, die – ent­spre­chend der wei­ter ver­folg­ten Zie­le der frü­he­ren Höhe­ren Gewer­be­schu­le – einen „all­ge­mein vor­be­rei­ten­den“, und anschlie­ßend die (eben­falls zwei­se­mes­tri­ge) „Obe­re All­ge­mei­ne Clas­se“, die „für den künf­ti­gen Beruf spe­ciel­ler aus­bil­den­den“ Cha­rak­ter besaß.[6]

Wäh­rend für die „Unte­re all­ge­mei­ne Clas­se“ nur weni­ge besuch­te Lehr­ver­an­stal­tun­gen (Dar­stel­len­de Geo­me­trie, Fran­zö­si­sche Spra­che, Eng­li­sche Spra­che und Reli­gi­on) im Matri­kel­buch ver­zeich­net sind, die von Adolf Reh durch­weg mit „genü­gend“ abge­schlos­sen wur­den, war das besuch­te Spek­trum für die „Obe­re all­ge­mei­ne Clas­se“ doch brei­ter gefä­chert. Neben Mathe­ma­tik, Dar­stel­len­de Geo­me­trie, Phy­sik, Che­mie besucht er auch Geschich­te und Geo­gra­phie, Deut­sche Spra­che, Fran­zö­si­sche Spra­che, Eng­li­sche Spra­che und Frei­hand­zeich­nen. Die Ergeb­nis­se sei­nes Stu­di­ums waren eher mit­tel­mä­ßig, mit einer Stei­ge­rung in der „Obe­ren all­ge­mei­nen Clas­se“. Aller­dings wird im Abgangs­zeug­nis aus­drück­lich eine wei­te­re Lehr­ver­an­stal­tung „Prak­ti­sche Arbei­ten im che­mi­schen Labo­ra­to­ri­um“ auf­ge­führt. Für die­se Lehr­ver­an­stal­tung wird ihm „sehr gro­ßer Fleiß“ beschei­nigt und „sehr guter Erfolg“ bei den qua­li­ta­tiv-ana­ly­ti­schen Arbei­ten her­vor­ge­ho­ben. So scheint hier bereits ein gewis­ses Inter­es­se am Fach „Che­mie“ deut­lich zu wer­den, das auch im wei­te­ren Lebens­weg erkenn­bar bleibt.[7] Eine spe­zi­fisch tech­nisch ori­en­tier­te Aus­bil­dung, wie sie etwa in der „beson­de­ren tech­ni­schen Clas­se“ an die­ser Tech­ni­schen Schu­le mit Fächern wie Mecha­nik, che­mi­sche bzw. mecha­ni­sche Tech­no­lo­gie, Bau­kun­de, Mine­ra­lo­gie, Boden­kun­de, oder Maschi­nen­zeich­nen ange­bo­ten wur­de, besaß Adolf Reh damit aller­dings nicht.

Sein wei­te­rer Berufs­weg scheint bei Abschluss des Stu­di­ums noch unklar gewe­sen zu sein. Im Matri­kel­buch ist in der Rubrik „Zukünf­ti­ger Beruf“ nur ein „Unbe­stimmt“ ver­merkt.[8] Adolf Reh war also mit dem Abschluss der Tech­ni­schen Schu­le nun 17 Jah­re alt, besaß zwar all­ge­mei­ne, aber kei­ne spe­zi­fisch tech­ni­schen Kennt­nis­se und – er hat­te kei­nen Beruf.

3 Vieil­le Mon­tagne, Mores­net, Max Braun und Adolf Reh

Über das Leben von Adolf Reh nach Abschluss der Tech­ni­schen Schu­le wis­sen wir kaum etwas. Erst mit dem Beginn sei­ner Tätig­keit in Japan im Jahr 1873 besit­zen wir wie­der gesi­cher­te Nach­rich­ten. Was er in den sechs Jah­ren gemacht hat, kön­nen wir nur auf Umwe­gen, und dabei auch nur andeu­tungs­wei­se und mit­tel­bar, erschlie­ßen.

Es sind Adolf Rehs Ver­bin­dun­gen zu zwei Per­so­nen, die nähe­re Hin­wei­se über die­se Jah­re geben kön­nen: Da ist zum einen sei­ne künf­ti­ge Frau, mit Namen Lia­ne, und da ist Max Braun, der Vater von Lia­ne. Viel­leicht war Max Braun auch der Ver­mitt­ler für die spä­te­re Tätig­keit von Adolf Reh in Japan. Dazu kann man aller­dings nur eini­ge spe­ku­la­ti­ve Anmer­kun­gen machen.

Max Braun (1814–1883), der spä­te­re Schwie­ger­va­ter von Adolf Reh wur­de in Karls­ru­he gebo­ren. Er wuchs in einem Eltern­haus auf, in dem man sich für die Natur­wis­sen­schaf­ten inter­es­sier­te. Nach dem Gym­na­si­um besuch­te er das Poly­tech­ni­kum in Karls­ru­he. Im Gegen­satz zu Adolf Reh, der nur eine „All­ge­mei­ne Clas­se“ an der Tech­ni­schen Schu­le in Darm­stadt absol­viert hat­te, hat­te Max Braun das Fach „Geo­lo­gie“ stu­diert.

Nach dem Stu­di­um sam­mel­te Max Braun prak­ti­sche Erfah­run­gen in ver­schie­de­nen Berg­wer­ken in den deut­schen Staa­ten, aber auch in Frank­reich, Alge­ri­en und Bel­gi­en. 1848 fand er dann eine Anstel­lung im Zink-Unter­neh­men Socie­te des Mines de Zinc de la Vieil­le Mon­tagne. Damit waren sei­ne Wan­der­jah­re been­det. 26 Jah­re lang, bis 1874, blieb er in die­sem Unter­neh­men tätig. Wäh­rend die­ser Zeit stieg er bis zum Direk­tor der Zink­gru­be in Alten­berg (Vieil­le Mon­tagne), mit Sitz in Neu­tral-Mores­net, an der Gren­ze zwi­schen Deutsch­land und Bel­gi­en, auf.[9]

Abb. 2: Gesamt­an­sicht der Vieil­le Mon­tagne in Mores­net um 1870 (Litho­gra­phie von A. Maug­ned­re in Leo Wint­gens, Neu­tral-More­net-Neu­tre, 2010, S. 113). Adolf Reh dürf­te das Unter­neh­men in die­ser Ansicht gese­hen haben.

Die 1837 gegrün­de­te Vieil­le Mon­tagne erschloß im bel­gisch-preus­si­schen Grenz­raum zahl­rei­che Gru­ben zur För­de­rung von Gal­mei­erz. Die­ses wur­de in einer Hüt­te unter­halb des „alten Ber­ges“ zu Zink ver­ar­bei­tet (Abb. 2). Blü­te­zeit des Unter­neh­mens mit einer Jah­res­pro­duk­ti­on von rund 135.000 Ton­nen war die Mit­te des 19. Jahr­hun­derts. Aller­dings ging der Ertrag der Gru­ben bald zurück und 1884 wur­de die Haupt­gru­be in Kel­mis geschlos­sen, ande­re Gru­ben wur­den aller­dings wei­ter betrie­ben.[10]

Wie Adolf Reh in Darm­stadt den an der bel­gisch-preus­si­schen Gren­ze, im neu­tra­len Mores­net, woh­nen­den Max Braun ken­nen­lern­te, wis­sen wir nicht. Nur aus eini­gen Details kann man mög­li­che Zusam­men­hän­ge rekon­stru­ie­ren. So wird z.B. im (ver­mut­lich 1871 ange­leg­ten) Mel­de­bo­gen der Mut­ter des Adolf Reh in Darm­stadt zur 1849 gebo­re­nen Toch­ter Ale­xa der Hin­weis gege­ben: „Leh­re­rin zu Gent“.[11] So könn­te eine Ver­bin­dung in den bel­gi­schen Raum also durch Adolf Rehs Schwes­ter her­ge­stellt wor­den sein. Wie es aller­dings zu einem kon­kre­ten Kon­takt zur Viel­le Mon­ta­ge bzw. Max Braun kam, bleibt im Dunk­len, eben­so wie auch bis­lang noch jeg­li­cher Nach­weis einer Tätig­keit des Adolf Reh bei der Vieil­le Mon­tagne fehlt.

Abb. 3: Die Jans­müh­le in Mores­net. In die­sem Gebäu­de dürf­te Max Braun mit sei­ner Fami­lie gewohnt haben (Abb. aus Wint­gens, Neu­tral-Mores­net-Neu­tre, 1987, S. 139).

Max Braun leb­te mit sei­ner Fami­lie (acht Kin­der – drei Söh­ne, fünf Töch­ter) in der Jans­müh­le, einem von den Ange­stell­ten bewohn­ten Gebäu­de auf dem Gelän­de des Unter­neh­mens (Abb. 3). Neben der Woh­nung befan­den sich auf dem Gelän­de auch die Ver­wal­tung des Unter­neh­mens und das Labor. Es wird berich­tet, dass in die­sem Labor „immer auch eini­ge jun­ge Berg­in­ge­nieu­re arbei­te­ten“ und dass sich auch Adolf Reh eini­ge Zeit dort auf­ge­hal­ten habe.[12] Viel­leicht hat sich sein Talent und sein Inter­es­se für das che­mi­sche Arbei­ten, das im Abgangs­zeug­nis der Tech­ni­schen Schu­le in Darm­stadt ver­merkt wur­de, auf sei­nen wei­te­ren Berufs­weg aus­ge­wirkt und zu einer Tätig­keit in dem Labor der Vieil­le Mon­tagne geführt.

Ein wei­te­rer Hin­weis auf einen Zusam­men­hang zwi­schen Adolf Reh und der Vieil­le Mon­tagne bzw. der Fami­lie Max Braun ist die Tat­sa­che, dass Adolf Reh eine der Töch­ter von Max Braun, die 1854 gebo­re­ne vier­te Toch­ter mit Namen Lia­ne spä­ter zur Frau nahm. Nicht unwahr­schein­lich ist es, dass Adolf Reh wäh­rend einer Tätig­keit bei der Vieil­le Mon­tagne die Toch­ter Lia­ne ken­nen­lern­te, die er spä­ter hei­ra­te­te.

Das Unter­neh­men hat­te früh auch enge Bezie­hun­gen zu ver­schie­de­nen deut­schen Zink-Her­stel­lern, ins­be­son­de­re in Preu­ßen, geknüpft. So wur­de Max Braun auch als Gut­ach­ter für die Preu­ßi­sche Regie­rung tätig. In die­ser Posi­ti­on soll er für die preu­ßi­sche Regie­rung Berg­in­ge­nieu­re aus­ge­sucht haben, die auf Ersu­chen der japa­ni­schen Regie­rung zu Beginn der 1870er-Jah­re nach Japan gehen soll­ten. Viel­leicht schlug er auch Adolf Reh für eine sol­che Tätig­keit in Japan vor.[13]

Vor die­sem Hin­ter­grund könn­te es zur Ent­sen­dung des Adolf Reh, der sich durch sei­ne Tätig­keit bei der Vieil­le Mon­ta­ge ent­spre­chen­de Kennt­nis­se ange­eig­net haben könn­te, als Berg­in­ge­nieur nach Japan gekom­men sein.

4 Adolf Reh in Japan

Die Jah­re nach der Mei­ji-Restau­ra­ti­on von 1868, die einen poli­ti­schen Neu­an­fang nach der feu­da­len Herr­schaft des Shog­u­nats, der Zen­tral­re­gie­rung, dar­stellt, waren bei nähe­rem Hin­se­hen nicht so ruhig und vom Auf­bruch in eine neue Epo­che geprägt, wie dies ver­ein­facht in vie­len Schrif­ten dar­ge­stellt wird. Poli­ti­sche Unru­hen zei­gen, dass kei­nes­wegs das gan­ze Volk hin­ter der neu­en Regie­rung stand. Die not­wen­di­gen wirt­schaft­li­chen Refor­men (z.B. Grund­steu­er, Gewer­be- und Nie­der­las­sungs­frei­heit) führ­ten in vie­len Tei­len des Lan­des zu teils gewalt­sa­men Unru­hen und Auf­stän­den. Auch die Indus­tria­li­sie­rung, ver­sinn­bild­licht durch den Slo­gan der Regie­rung „Rei­ches Land, star­ke Armee“, ver­lief kei­nes­wegs ohne Schwie­rig­kei­ten, auch wenn man in den west­li­chen Schrif­ten die­se Jah­re häu­fig als ein „Wun­der“ der raschen japa­ni­schen Indus­tria­li­sie­rung zeich­net. Fehl­pla­nun­gen mit dem Resul­tat rascher Zusam­men­brü­che von Unter­neh­men, die bis heu­te noch sicht­ba­re Indus­trie­rui­nen hin­ter­lie­ßen, waren eben­so an der Tages­ord­nung wie Pro­tes­te gegen die Moder­ni­sie­rung von Pro­duk­ti­ons­ab­läu­fen, gegen Neue­run­gen im Bereich der Infra­struk­tur, wie etwa die Anla­ge von Bahn­tras­sen oder Häfen.

Noch bevor man aller­dings sei­ne Gedan­ken in Rich­tung auf den Auf­bau einer moder­nen Indus­trie rich­te­te, muss­te sich die Regie­rung zunächst ein sta­bi­les Ein­kom­men bzw. ein ent­spre­chen­des Geld­sys­tem schaf­fen. Neben den ent­spre­chen­den Ver­ord­nun­gen für eine Kon­trol­le des An- bzw. Ver­kaufs von Gold, Sil­ber und Kup­fer, die die Edel­me­tall­ver­lus­te durch den zuneh­men­den Außen­han­del und das Über­hand­neh­men aus­län­di­scher Wäh­run­gen ein­schrän­ken hel­fen soll­ten, und der Ein­füh­rung des Yen als neue Wäh­rungs­ein­heit im Jahr 1871, wur­den im Jahr dar­auf ers­te Berg­bau-Regu­la­ti­ve und 1873 ein ers­tes Berg­bau­ge­setz erlas­sen, das dem Staat das Berg­re­gal zusi­cher­te.

Aber schon frü­her, im Jahr der Mei­ji-Restau­ra­ti­on 1868, hat­te man begon­nen, die ver­schie­de­nen Gold- und Sil­ber­berg­wer­ke aus dem Besitz der frü­he­ren Feu­dal­re­gie­rung bzw. auch aus den Hän­den der frü­he­ren Lehens­her­ren unter zen­tral­staat­li­che Kon­trol­le zu brin­gen. Man­gels feh­len­der Ein­kom­mens­quel­len des jun­gen Staa­tes soll­ten die Erträ­ge aus die­sen Gold- und Sil­ber­berg­wer­ken hel­fen, den Staats­haus­halt zu stüt­zen und das neue Wäh­rungs­sys­tem zu sta­bi­li­sie­ren. Die Stei­ge­rung der Pro­duk­ti­on in ande­ren Berei­chen, etwa Koh­le, Eisen oder Zinn soll­ten den zuneh­men­den Import sol­cher Roh­ma­te­ria­li­en zurück­drän­gen hel­fen, um auch so den Abfluss von Devi­sen in Form von Edel­me­tal­len zu ver­hin­dern.

Aller­dings waren vie­le der so über­nom­me­nen Berg­wer­ke kei­nes­wegs in einem Zustand, der die­ses Ziel leicht und rasch erreich­bar erschei­nen ließ. Im Gegen­teil, vie­le die­ser Berg­wer­ke arbei­te­ten mit einem höchst inef­fi­zi­en­ten Manage­ment-Sys­tem und waren häu­fig in einem z.T. kata­stro­pha­len tech­ni­schen Zustand.

Die Moder­ni­sie­rung der ver­schie­de­nen Berg­wer­ke nach aus­län­di­schen Vor­bil­dern und auch mit Unter­stüt­zung frem­der Fach­leu­te war unab­ding­lich. Aller­dings ver­lief auch die­ser Pro­zess kei­nes­wegs pro­blem­los. Nicht nur, dass die „Über­nah­me“ der Berg­wer­ke durch die Regie­rung zum Teil „Ent­eig­nun­gen“ ähnel­te, so lös­ten die Ver­su­che, das alte und inef­fi­zi­en­te Sys­tem des Arbei­tens mit Sub­kon­trak­to­ren auf­zu­he­ben, in die­sen Krei­sen erheb­li­chen Wider­stand aus. An prak­tisch allen Stand­or­ten gro­ßer Berg­wer­ke, in Iku­no, Ani, Innai und so auch auf der Insel Sado, erhob sich Wider­stand, der zum Teil nur unter Ein­satz von Poli­zei oder Mili­tär gebro­chen wer­den konn­te.

Kar­te 1: Die Lage der Insel Sado im Japa­ni­schen Meer.

Das auf der Insel Sado (Kar­te 1) im japa­ni­schen Meer vor der Küs­te der Prä­fek­tur Niiga­ta gele­ge­ne Gold- und Sil­ber-Berg­werk war bereits im Jah­re Mei­ji 2 (1869) in den Besitz des Staa­tes über­ge­gan­gen. Unter der Auf­sicht des Minis­te­ri­ums für Öffent­li­che Unter­neh­men (Kōbus­hō) begann man mit der Moder­ni­sie­rung, für die man auch aus­län­di­sche Kräf­te nach Japan hol­te und u.a. im Gold- und Sil­ber­berg­werk auf der Insel Sado ein­setz­te. Doch schon 1872 zer­stör­ten auch hier Arbeits­kräf­te, die auf­grund ers­ter Moder­ni­sie­rungs­maß­nah­men ihre Arbeit ver­lo­ren hat­ten, erst­mals Maschi­nen­tei­le und Schie­nen, die für die Erneue­rung der Pro­duk­ti­on hät­ten genutzt wer­den sol­len. Zudem gab es bald dar­auf Gerüch­te, dass die aus­län­di­schen Fach­kräf­te Ziel der Unru­hen sein wür­den. Dar­auf­hin beor­der­te man zwei Abtei­lun­gen mit Sol­da­ten sowie über 100 ehe­ma­li­ge Samu­rai auf die Insel zum Schutz der aus­län­di­schen Kräf­te. In den 1870er- und 1880er-Jah­ren fan­den wei­te­re Unru­hen mit ent­spre­chen­den Sach­be­schä­di­gun­gen statt. Poli­zei­kräf­te wur­den zum Schutz der Berg­wer­ke abge­stellt.[14]

Zu den aus­län­di­schen Fach­kräf­ten in Sado gehör­ten fünf Fach­leu­te aus Eng­land, näm­lich Eras­mus H. M. Gower (ab 1869) und James Scott (ab 1870) als Berg­in­ge­nieu­re und Exper­ten für die Ver­hüt­tung sowie James Dale, John Sim­mons und Tho­mas Trel­oaer als „miner“ (ab 1873); fer­ner ein an der Berg­aka­de­mie Frei­berg aus­ge­bil­de­ter Berg­in­ge­nieur aus den USA, Alexis Janin, als Exper­te für die Ver­hüt­tung (eben­falls ab 1873), und schließ­lich im Novem­ber 1873 Adolf Reh aus Deutsch­land als „tun­nel excava­tor“. Nach Gower und Janin mit einem Monats­lohn von 600 bzw. 525 Yen, lag Reh mit 400 Yen in der Gehalts­ska­la an drit­ter Stel­le.

Ob Adolf Reh tat­säch­lich durch die Ver­mitt­lung sei­nes Schwie­ger­va­ters Max Braun, wie oben ange­deu­tet, nach Japan kam, ist nicht sicher. Auf wel­chem Wege er selbst nach Japan gelang­te, ob über Süd-Asi­en oder über Nord-Ame­ri­ka, ist eben­falls nicht bekannt.

Die aus­län­di­schen Arbeits­kräf­te, die in der Regel allei­ne, also ohne Fami­lie kamen, wur­den auf der Insel Sado meist in bud­dhis­ti­schen Tem­peln unter­ge­bracht. Es waren dies die ein­zi­gen Ört­lich­kei­ten, die Platz für Gäs­te auch län­ger­fris­tig zur Ver­fü­gung stel­len konn­ten. Nur für James Scott, der am längs­ten auf Sado weil­te, ist bekannt, dass er west­li­che Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de, wie Stüh­le und einen Tisch, besaß. Wie das Leben der ande­ren Kräf­te ver­lief, ist nicht im Ein­zel­nen über­lie­fert.

Für das leib­li­che Wohl war von Anfang an gesorgt. Schon früh war von den aus­län­di­schen Fach­kräf­ten der Wunsch nach Rind­fleisch und Whis­ky geäu­ßert wor­den. Ein Händ­ler auf Sado hat­te des­halb eine grö­ße­re Men­ge Whis­ky aus Yoko­ha­ma nach Aika­wa auf Sado gebracht. Seit dem Ein­tref­fen von Gower war auch mit dem Schlach­ten von Rin­dern für Nah­rungs­zwe­cke begon­nen wor­den, so dass auch in die­ser Rich­tung für die aus­län­di­schen Kräf­te gesorgt wer­den konn­te.[15]

Im Gold- und Sil­ber­berg­werk Sado wird Adolf Rehs Tätig­keit mit „tun­nel-excava­tor“ (im Japa­ni­schen als kai­kō-shi, d.h. wörtl. „Fach­mann für Schäch­te“) umschrie­ben. Über sei­ne Tätig­keit heißt es: „Der für den Abbau unter­ta­ge ver­ant­wort­li­che Adolf Reh hat­te die Auf­sicht über die Abteu­fung des ers­ten Sai­ger­schach­tes nach west­li­chem Vor­bild in Japan. Die Arbei­ten des Abteu­fens began­nen im Jahr 1875 (Mei­ji 8) und wur­den im über­nächs­ten Jahr abge­schlos­sen. Von die­sem ca. 150 m tie­fen Schacht aus­ge­hend trieb man alle 45 m Stre­cken in das Gestein. Dadurch konn­te eine Stei­ge­rung der Leis­tungs­fä­hig­keit erzielt wer­den“.[16] Wel­che Ver­fah­ren durch Adolf Reh beim Nie­der­brin­gen des Schach­tes ein­ge­setzt wur­den, ist eben­so wenig bekannt wie die Art der Schacht­maue­rung.

So bedeut­sam die­ser Schacht auch erschei­nen mag, er blieb das ein­zi­ge Werk, mit dem bis heu­te an Adolf Reh erin­nert wird. Stut­zig macht aller­dings der Ein­satz des Adolf Reh für die­se Tätig­keit des Abteu­fens, denn aus sei­nem bis­her bekann­ten Lebens- und Berufs­weg vor dem Japan-Auf­ent­halt ist nicht erkenn­bar, wie und wo er sich die ent­spre­chen­den Kennt­nis­se ange­eig­net haben könn­te. Hat er wäh­rend sei­ner Tätig­keit in der Zink­gru­be Vieil­le Mon­tagne, wo man hori­zon­ta­le Stre­cken nutz­te, die­se Kennt­nis­se erwer­ben kön­nen? Die­se Fra­ge muss man­gels ent­spre­chen­der Quel­len unbe­ant­wor­tet blei­ben.

Zwei frü­he Dar­stel­lun­gen des Ōda­te-Schach­tes stam­men aus einem Prak­ti­kums­be­richt, erstellt im Jahr 1883, also fünf Jah­re nach der Abrei­se des Adolf Reh aus Sado und auch ohne Bezug auf ihn zu neh­men. Die Stu­den­ten am Impe­ri­al Col­lege auf Engi­nee­ring (jap. Kōbu-dai-gak­kō) in Tōkyō, einer frü­hen tech­ni­schen Bil­dungs­an­stalt, deren Absol­ven­ten die japa­ni­sche Regie­rung in den öffent­li­chen Unter­neh­men ein­zu­set­zen gedach­te, muss­ten in den letz­ten bei­den Jah­ren ihres ins­ge­samt sechs­jäh­ri­gen Stu­di­ums prak­ti­sche Erfah­run­gen – in der Regel in öffent­li­chen Unter­neh­men – sam­meln und dar­über län­ge­re Berich­te schrei­ben.

Der vor­lie­gen­de Bericht stammt von einem Stu­den­ten der Fach­rich­tung Berg­bau namens Ōha­ra Jun­no­suke, der neben dem Sil­ber­berg­werk Iku­no, dem Koh­le­berg­werk Mii­ke, den ver­schie­de­nen Gru­ben in Nord­ja­pan, also bei­spiels­wei­se Innai, Ani oder Abu­ra­to, ab März 1883 auch für län­ge­re Zeit das Gold- und Sil­ber­berg­werk auf der Insel Sado besuch­te. In dem vor­lie­gen­den rund 99 (z.T. dop­pel­sei­tig beschrie­be­ne) Sei­ten umfas­sen­den Bericht mit umfang­rei­chen schrift­li­chen Aus­füh­run­gen (in eng­li­scher Spra­che; die Unter­richts­spra­che am Impe­ri­al Col­lege of Engi­nee­ring war Eng­lisch), einer Rei­he von Skiz­zen und zahl­rei­chen tech­ni­schen Zeich­nun­gen ver­schie­de­ner Ein­rich­tun­gen fin­den sich auch Dar­stel­lun­gen des Ōda­te-Schach­tes. Neben einer sche­ma­ti­schen Skiz­ze beti­telt „Ima­gi­na­ry Sec­tion of the Oda­te shaft and levels“ zeigt eine wei­te­re, nicht beti­tel­te Skiz­ze die Lage des Schach­tes und die Ent­fer­nun­gen zum Erz­gang auf den drei Ebe­nen (Abb. 4 links und rechts). Wei­te­re Aus­füh­rung im Text beschrei­ben bei­spiels­wei­se die Anla­ge der Gän­ge, deren Abmes­sun­gen, die Art des Aus­baus, die Lei­tung der jewei­li­gen Ebe­ne. Über dem Schacht­ein­gang wer­den aller­dings kei­ner­lei Vor­rich­tun­gen zum Ein­fah­ren deut­lich gemacht. Auch im Text wird dies­be­züg­lich nichts erwähnt.

Ein ers­tes frü­hes Foto mit dem Berg­werks­ge­län­de und dem Ōda­te-Schacht im Hin­ter­grund, zeigt ein über dem Schacht­ein­gang errich­te­tes Gebäu­de. Das Foto stammt aus dem Jah­re 1901 (Abb. 5). Die heu­te über dem Ōda­te-Schacht sicht­ba­re Stahl­kon­struk­ti­on (Abb. 6) wur­de erst im Jah­re 1938 errich­tet.[17]

Abb. 4 links: Sche­ma­ti­sche Dar­stel­lung des Ōda­te Schach­tes mit ent­spre­chen­den Abmes­sun­gen; die Abkür­zung „sh” bezieht sich auf die japa­ni­sche Maß­ein­heit „shaku” = 30,3 cm, ent­spricht also fast genau der engl. Maß­ein­heit „foot” mit 30,48 cm).
Abb. 4 rechts: Der Ōda­te-Schacht und die Ent­fer­nun­gen zum edel­me­tall­füh­ren­den Gang. (Quel­le: Ōha­ra Jun­no­suke, Notes on Sado Mines. March 14th. 1883. Impe­ri­al Col­lege of Engi­nee­ring. Tokio. S. 18, Rück­sei­te; S. 19, Rück­sei­te; hand­schrift­li­ches Manu­skript des Ōha­ra Jun­no­suke im Besitz des Autors).
Abb. 5: Blick auf das Berg­werks­ge­län­de Sado im Jahr 1901. Im Hin­ter­grund (Mit­te) ragt das Gebäu­de über dem Ōda­te-Schacht sicht­bar her­aus (Foto zur Ver­fü­gung gestellt von Shi­mo­ta­ni Tōru, Sado, Aika­wa kyō­do haku­but­sukan).
Abb. 6: Der Ōda­te-Schacht mit der 1938 errich­te­ten Stahl­kon­struk­ti­on (Foto: Erich Pau­er).
Abb. 7 links: Eine tra­di­tio­nel­le japa­ni­sche Tsu­ri-Öllam­pe zum Tra­gen oder Hän­gen.
Abb. 7 rechts: Eine „West­fä­li­sche Froschlam­pe” (ca. 1880), wie sie der Über­lie­fe­rung nach durch Adolf Reh nach Japan gebracht und dann dort ver­brei­tet wur­de.

Es ist nicht über­lie­fert ob und wel­che ande­ren Tätig­keit Adolf Reh auf Sado even­tu­ell noch aus­üb­te. Die meis­ten Quel­len, die zu den aus­län­di­schen Arbeits­kräf­ten Aus­kunft geben könn­ten, sind bei einem Brand im Jah­re 1885 (Mei­ji 18) ver­lo­ren gegan­gen,[18] so dass über Erfol­ge oder Miss­erfol­ge kaum Aus­sa­gen gemacht wer­den kön­nen. Aller­dings scheint zumin­dest ein Ele­ment, das in der Pha­se der Moder­ni­sie­rung des japa­ni­schen Berg­baus dann doch erheb­lich wei­te­re Bedeu­tung und Ver­brei­tung erlang­te, auf Adolf Reh zurück zu gehen. So wird über­lie­fert, dass durch ihn die sog. West­fä­li­sche Froschlam­pe (Abb. 7) nach Sado gebracht wur­de und die­se das seit etwa 1820 ver­wen­de­te tra­di­tio­nel­le Geleucht, die tsu­ri (eine an einem Griff oder Haken befes­tig­te, offe­ne, mit Öl gefüll­te und einem Docht ver­se­he­ne Metall­scha­le) ersetz­te.[19] Die Froschlam­pe, zwar eben­falls mit offe­ner Flam­me, aber im Gegen­satz zur japa­ni­schen tsu­ri mit geschlos­se­nem Ölbe­häl­ter, war vor allem im Erz­berg­bau, wo die Gefahr von Gru­ben­gas mit ent­spre­chen­den Fol­gen kaum auf­trat, gut ein­setz­bar. Aller­dings wur­de auch die Froschlam­pe in Japan bald durch die moder­ne Ace­tylen- bzw. Kar­bidlam­pe ersetzt.

Im Jah­re 1878 (Mei­ji 11) kehr­te Adolf Reh nach fast fünf­jäh­ri­ger Tätig­keit auf Sado wie­der nach Deutsch­land zurück. Bis­lang sind kei­ne Doku­men­te zugäng­lich gewor­den, die über den Auf­ent­halt von Adolf Reh in Japan nähe­re Erkennt­nis­se lie­fern könn­ten. Auch sind von ihm selbst kei­ne per­sön­li­chen Auf­zeich­nun­gen aus sei­ner Japan-Zeit über­lie­fert. Er hat über sei­ne Tätig­keit in Japan offen­sicht­lich auch kei­ne Berich­te in den ein­schlä­gi­gen Fach­zeit­schrif­ten ver­öf­fent­licht, wie wir sie von dem zur sel­ben Zeit in Japan tätig gewe­se­nen Curt Net­to, oder den meis­ten der nur weni­ge Jah­re nach Adolf Reh nach Japan kom­men­den deut­schen Berg­in­ge­nieu­re (Rösing, Ban­sa, Mez­ger u.a.) vor­lie­gen haben.

5 Spu­ren in Tirol

Auch die Rück­kehr von Adolf Reh nach Deutsch­land, wann er aus Japan abreis­te, mit wel­chem Schiff er fuhr, wann und wo er dann in Euro­pa bzw. in Deutsch­land wie­der ein­traf, bleibt im Dun­kel.

Die ers­ten kon­kre­ten Nach­rich­ten über eine wei­te­re berg­män­ni­sche Tätig­keit kön­nen wir nur aus zwei Bei­trä­gen in einer Fach­zeit­schrift ent­neh­men. In einem Arti­kel über Kup­fer­erz­vor­kom­men in Süd-Russ­land, der 1881 in der Zeit­schrift für das Berg‑, Hütten‑, und Sali­nen­we­sen im Preus­si­schen Staa­te erschien, wird als Autor „Adolph [sic!] Reh in Darm­stadt“ genannt.[20] Dar­aus lässt sich ver­mu­ten, dass Adolf Reh nach sei­ner Rück­kehr aus Japan zunächst wie­der sei­ne Hei­mat­stadt Darm­stadt auf­ge­sucht hat. Aller­dings gibt es im oben erwähn­ten Mel­de­bo­gen der Mut­ter dies­be­züg­lich kei­nen Ein­trag. Ob der Arti­kel auf einer Rei­se nach oder wäh­rend eines Auf­ent­halts in Russ­land ent­stan­den ist, oder sich der Autor auf ande­re Quel­len stützt, geht aus dem Bei­trag nicht her­vor.

Ein ande­rer Bei­trag in der­sel­ben Fach­zeit­schrift, 1883 ver­öf­fent­licht, führt auf eine wei­te­re Spur: In einem Bei­trag zu Kup­fer­kies­vor­kom­men im (heu­te ita­lie­ni­schen) Süd-Tirol wird als Autor „Adolf Reh zu Inns­bruck“ genannt.[21] Die in die­sem Bei­trag zu fin­den­den genau­en Anga­ben über die Umstän­de der Lager­stät­ten, der Was­ser­hal­tung, der Auf­be­rei­tung und der Ver­hüt­tung las­sen schon dar­auf schlie­ßen, dass der Autor direkt vor Ort tätig gewe­sen sein muss. Bestä­tigt wird dies bereits durch eine Ein­tra­gung im Mel­de­buch der Stadt Inns­bruck. Dar­in wird ein „Berg­in­ge­nieur Adolf Reh“ genannt, der vom 10. Novem­ber 1881 bis zum 6. Okto­ber 1886 in Inns­bruck gemel­det war, und zwar als ver­hei­ra­tet mit „Maxi­mi­lia­na, gebo­re­ne Braun“. Ver­zeich­net ist auch, dass am 3. April 1882 ein Sohn mit Namen Max in Inns­bruck gebo­ren wur­de.[22]

Man darf aus die­sen Anga­ben schlie­ßen, dass Adolf Reh die Toch­ter Lia­ne (Maxi­mi­lia­na oder Maxi­mi­lia­ne) sei­nes frü­he­ren Vor­ge­setz­ten Max Braun, Direk­tor von Vieil­le Mon­tagne, die er aus sei­ner Zeit bei die­sem Unter­neh­men kann­te, jetzt, nach sei­ner Rück­kehr aus Japan, gehei­ra­tet hat­te.

Über sei­ne Tätig­keit in Tirol gibt es aller­dings nur weni­ge kon­kre­te Spu­ren: Sicher ist, dass Reh offen­sicht­lich schon bald nach 1878 (genaue­re Anga­ben lie­gen nicht vor) in Pret­t­au, Süd­ti­rol, in der von ihm in sei­nem Bei­trag von 1883 beschrie­be­nen Kup­fer­schmel­ze tätig war.

Abb. 8: Die 1878 voll­stän­dig zer­stör­te Schmelz­hüt­te in Arz­bach (gemalt vor 1878; Ölbild des Schmelz­erhut­man­nes Josef Ste­ger; mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Dr. Hans Lei­ter, Direk­tor des Süd­ti­ro­ler Berg­bau­mu­se­ums in Stein­haus).

Der Kup­fer­berg­bau im Süd­ti­ro­ler Ahrn­tal ist his­to­risch bereits im 15. Jahr­hun­dert fass­bar, dürf­te aber erheb­lich wei­ter zurück­rei­chen. Obwohl der Kup­fer­ge­halt des Erzes ver­gleichs­wei­se gering war, erwies sich der Abbau auf­grund der guten Qua­li­tät als loh­nend. Besa­ßen die Gewer­ke (Anteils­in­ha­ber und Berg­werks­un­ter­neh­mer) bis zum 17. Jahr­hun­dert wahr­schein­lich jeweils eine eige­ne Schmelz­hüt­te, war deren Zahl im 18. Jahr­hun­dert auf zwei Hüt­ten geschrumpft, eine Hüt­te in Arz­bach und eine wei­te­re in Stein­haus. Letz­te­re war dann auch nach Mit­te des 18. Jahr­hun­dert geschlos­sen wor­den. In Arz­bach wur­de kurz dar­auf ein neu­er Ofen gebaut, der von sei­ner Kapa­zi­tät das gesam­te anfal­len­de Erz auf­neh­men konn­te (Abb. 8). 1878 wur­de die­se Schmelz­hüt­te durch eine Mure völ­lig zer­stört.[23]

Neu ange­stell­te Unter­su­chun­gen zeig­ten ein beacht­li­ches Schwe­fel­kies­vor­kom­men, das als Aus­gangs­ma­te­ri­al für die Her­stel­lung von Schwe­fel­säu­re genutzt wer­den konn­te und auch einen Abneh­mer fand, wes­halb dann eine neue Schmel­ze geplant wur­de, die in Pret­t­au, in der Nähe der Berg­wer­ke errich­tet wur­de. Schon im Vor­feld war offen­sicht­lich Adolf Reh bereits an den Pla­nun­gen betei­ligt. Aller­dings sind weder die genaue Auf­ent­halts­dau­er noch ein genau­er Arbeits­auf­trag bekannt.[24] Offen­sicht­lich zeig­te er sich opti­mis­tisch hin­sicht­lich der Zukunft des Berg­werks und der Schmel­ze, und es gelang ihm die ande­ren Gewer­ke zu über­zeu­gen. Das neue Schmelz­werk in Pret­t­au wur­de nach sei­nen Ent­wür­fen errich­tet.[25] 1883 begann man mit dem Betrieb.

Der Vor­gang beruh­te aller­dings auf einem völ­lig ande­ren Prin­zip als in den bis­he­ri­gen Schmelz­wer­ken: „Nach Art der Eisen­hoch­öfen soll­te ein unun­ter­bro­che­ner Betrieb mög­lich wer­den (was bei der [frü­he­ren] Schmelz­me­tho­de in Arz­bach nicht mög­lich war). Im Pro­be­ofen funk­tio­nier­te alles schein­bar tadel­los, in der Groß­aus­füh­rung zeig­ten sich dann gro­ße Pro­ble­me: nach 5 oder 6 Tagen erlosch das Feu­er, die halb geschmol­ze­nen Erze wur­den ent­sorgt, der Ofen muss­te neu auf­ge­mau­ert wer­den, kurz­um, es funk­tio­nier­te nicht. Eine Mit­schuld dürf­ten auch die unqua­li­fi­zier­ten Schmel­zer haben …“.[26]

Abb. 9: Die Über­res­te des Schmelz­werks in Pret­t­au (Foto: Erich Pau­er 2013).

Der gesam­te Schmelz­pro­zess erwies sich letzt­lich als inef­fi­zi­ent, die Schmelz­kos­ten waren viel höher, als Adolf Reh sie ursprüng­lich berech­net hat­te. Die Skep­sis, die der wich­tigs­te Gewer­ke, Graf Hugo von Enzen­berg, schon vor dem Neu­bau geäu­ßert hat­te, fand nun ihre Bestä­ti­gung. Die sei­tens des Berg­in­ge­nieurs Adolf Reh „leicht­sin­ni­gen und feh­ler­haf­ten Berech­nun­gen“, wie der Graf es aus­drück­te, waren ein Grund für den Fehl­schlag. 1883 muss­te das Berg­werk schlie­ßen.[27] Heu­te zeu­gen nur noch Mau­er­res­te und ein Schorn­stein in Pret­t­au von der Schmel­ze (Abb. 9).

Nun stel­len sich zur Tätig­keit des Adolf Reh in Süd­ti­rol eine Rei­he von Fra­gen, für die Ant­wor­ten wie­der­um oft nur mit­tel­bar zu erschlie­ßen sind. So steht zunächst die Fra­ge im Raum, unter wel­chen Umstän­den Adolf Reh zu die­ser Tätig­keit in Süd­ti­rol kam. Von sei­ner Aus­bil­dung her war Adolf Reh kein aka­de­misch aus­ge­bil­de­ter Berg­in­ge­nieur, son­dern hat­te die all­ge­mei­ne Abtei­lung der „Tech­ni­schen Schu­le“ in Darm­stadt absol­viert. Ein­zi­ger her­aus­ra­gen­der Punkt dabei war sein Inter­es­se und Fleiß im Fach Che­mie. Wie und wo er sich Kennt­nis­se ange­eig­net hat, um in Japan als Fach­mann für die Schacht­ab­teu­fung ein­ge­stellt zu wer­den, bleibt der Spe­ku­la­ti­on über­las­sen. Gleich­zei­tig muss aber gefragt wer­den, wo er dann jene Kennt­nis­se erwarb, die ihn qua­li­fi­zier­ten, die Pla­nung zur Ver­hüt­tung der Erze in der Schmel­ze in Pret­t­au in Angriff zu neh­men. Die Aus­füh­run­gen in sei­nem Bei­trag in der Zeit­schrift für das Berg‑, Hütten‑, und Sali­nen­we­sen im Preus­si­schen Staa­te von 1883 zei­gen, dass er in der Lage war, neben geo­gnos­ti­schen Ana­ly­sen che­mi­sche Befun­de zu machen. Dane­ben besaß er aber auch offen­sicht­lich tech­ni­sche Erfah­run­gen im Bau von Schacht­öfen. Hat­te er sich wäh­rend sei­nes fünf­jäh­ri­gen Auf­ent­halts in Japan sol­che Kennt­nis­se durch die Kon­tak­te mit den ande­ren Berg­in­ge­nieu­ren aus Eng­land und den USA aneig­nen kön­nen? Drei der aus­län­di­schen Arbeits­kräf­te im Gold- und Sil­ber­berg­werk auf Sado, näm­lich die bei­den Eng­län­der Gower und Scott und der aus den USA kom­men­de Janin waren „gestan­de­ne“ Berg­in­ge­nieu­re. Die eng­li­sche Spra­che war Unter­richts­ge­gen­stand in Darm­stadt gewe­sen, Alexis Janin hat­te in Frei­berg stu­diert, sprach also Deutsch – einem fach­li­chen Aus­tausch stan­den somit kaum Hin­der­nis­se ent­ge­gen.

Es ist aller­dings kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich, dass jemand, der in Darm­stadt wohnt, nach sei­ner Rück­kehr aus Japan in Süd­ti­rol eine Beschäf­ti­gung fin­det, wobei dar­über hin­aus der Betref­fen­de kein aus­ge­wie­se­ner, aka­de­mi­scher „Berg­in­ge­nieur“ war, son­dern bes­ten­falls sei­ne – aller­dings wohl doch umfang­rei­chen – Erfah­run­gen aus Alten­berg bzw. Sado ins Spiel brin­gen konn­te.

Bedeu­ten­de Gewer­ke in Pret­t­au waren, wie schon erwähnt, die Gra­fen von Enzen­berg. Die­se Fami­lie besaß neben Pret­t­au auch Antei­le an ande­ren Sil­ber- bzw. Zink­gru­ben in Tirol, z.B. an der Sil­ber­lei­t­he (Biber­wier) im nörd­li­chen Tirol.[28] An die­sem Berg­werk besaß auch Max Braun, der Schwie­ger­va­ter von Adolf Reh, und auch die­ser selbst Antei­le.[29] Durch die­se Ver­bin­dung – die Anteil­ha­ber tra­fen sich ja regel­mä­ßig – könn­te Adolf Reh ent­we­der durch sei­ne eige­nen per­sön­li­chen Ver­bin­dun­gen zu den Gra­fen von Enzen­berg oder aber über Max Braun die­se neue Stel­lung in Tirol erhal­ten haben.

Abb. 10: Adolf Reh (in der Post­kut­sche) vor dem Fern­pass­gast­haus und einer K.K. Post­kut­sche; datiert Nov. 1892 (aus einem Album der Fami­lie Reh; Foto im Besitz des Autors).
Abb. 11: Eines der weni­gen Fotos der Sil­ber­lei­t­he beti­telt „Biber­wier, die Schmel­ze”; unda­tiert, wahr­schein­lich Win­ter 1892/93 (aus einem Album der Fami­lie Reh; Foto im Besitz des Autors).

Es ist auch nicht genau eru­ier­bar, ab wann Adolf Reh auch Anteil­ha­ber in Sil­ber­lei­t­he war. Zumin­dest wird er ab 1881 bereits als sol­cher geführt.[30] Auf wel­chem Weg er sol­che Antei­le erwor­ben haben könn­te, ist eben­falls unklar. Mög­lich wäre hier wie­der­um eine Ver­bin­dung über Max Braun zu den Gewer­ken, die für Adolf Reh Anlass zum Erwerb von Antei­len gewe­sen sein könn­te. Ande­rer­seits muss man auch fra­gen, woher das Kapi­tal kam, mit dem er sich an die­sem Berg­werk betei­lig­te. Mög­lich erscheint, dass Adolf Reh sich mit dem in Japan erziel­ten Ein­kom­men (das nicht uner­heb­lich war) nach sei­ner Rück­kehr aus Japan dort ein­kauf­te.[31] Nach 1883 ist zudem in der Lis­te der Gewer­ke auch der Name sei­ner Ehe­frau, Lia­ne Reh, zu fin­den.[32] Ob und wie er even­tu­ell in die­sem Unter­neh­men selbst auch tätig war, ist bis­lang nicht bekannt.

Aller­dings war Adolf Reh auch spä­ter, nach­dem er 1886 Tirol ver­las­sen hat­te, wie­der zu Besuch dort. Spe­zi­ell hat er sich offen­sicht­lich für Sil­ber­lei­t­he inter­es­siert und das Berg­werk mit der Post­kut­sche auch besucht (Abb. 10). Eine sel­te­ne Ansicht der Schmel­ze in Sil­ber­lei­t­he ist in einem Foto­al­bum der Fami­lie Reh erhal­ten geblie­ben (Abb. 11). Bemer­kens­wert ist, dass Adolf Reh mit der Über­nah­me eines Anteils am Berg­werk Sil­ber­lei­t­he einen bedeu­ten­den Schritt mach­te, den Schritt zum selb­stän­di­gen Unter­neh­mer.

6 Adolf Reh – Unter­neh­mer in Ber­lin

Die Tätig­keit in Süd­ti­rol hat­te Adolf Reh offen­sicht­lich auch zu Rei­sen in Ita­li­en genutzt. Erst­mals war er 1884 in die Regi­on Abruz­zen gereist, um dort ein Schwe­fel­vor­kom­men zu begut­ach­ten. Offen­sicht­lich hat­te er bei die­ser Gele­gen­heit – wahr­schein­lich über sei­nen Kon­takt zum deut­schen Kon­sul H. v. Bre­men, der Mit­in­ha­ber der Fir­ma L. Claa­sen & Co. in Anco­na war – auch die Asphalt­vor­kom­men von San Valen­ti­no in den Abruz­zen ken­nen­ge­lernt.

Adolf Rehs Auf­ent­halt in Tirol geht 1886 zu Ende. Der Mel­de­bo­gen in sei­ner Hei­mat­stadt Darm­stadt ent­hält nun fol­gen­den Ein­trag: „Seit 6/X. 86 in Ber­lin auf­ent­halt­lich“.[33] Adolf Reh lebt nun in Ber­lin in Groß-Lich­ter­fel­de.

In Ber­lin ver­sucht Reh ver­schie­de­ne Unter­neh­men, die begon­nen hat­ten, in Ber­lin Stra­ßen mit einer Asphalt­de­cke zu ver­se­hen, auf den Asphalt von San Valen­ti­no auf­merk­sam zu machen, aller­dings ver­ge­bens. Des­halb ver­sucht er es auf eige­ne Faust. In einem ers­ten Schritt grün­det er ein „Ver­suchs-Asphalt-Kon­sor­ti­um der Abruz­zen“, um in Ber­lin eine Refe­renz­stre­cke zu asphal­tie­ren – mit Erfolg. Die Stadt­bau­ver­wal­tung emp­fiehlt dann den Kauf der Gru­ben­fel­der und deren Aus­beu­tung.

Am 23. Febru­ar 1889 wird das neue Unter­neh­men mit dem Namen „Asphalt­ge­sell­schaft Reh & Co. für Asphalt aus San Valen­ti­no (bei Anco­na)“ mit Sitz in Ber­lin unter Betei­li­gung Ber­li­ner und ita­lie­ni­scher Kom­man­di­tis­ten gegrün­det.[34]

Abb. 12: Das Werk der Adolf Reh & Co. in San Valen­ti­no (um 1893) (aus einem Album der Fami­lie Reh; Foto im Besitz des Autors).
Abb. 13: Schür­f­ar­bei­ten im Gebiet von San Valen­ti­no Valen­ti­no (um 1893) (Aus einem Album der Fami­lie Reh; Foto im Besitz des Autors).

Bald ent­steht in San Valen­ti­no ein moder­ner Abbau­be­trieb (Abb. 12 und Abb. 13). Das gewon­ne­ne Mate­ri­al wird zum Hafen von Anco­na gebracht und von dort in alle Welt ver­schifft. In nur weni­gen Jah­ren kann das Unter­neh­men Adolf Reh & Co. nicht nur Deutsch­land, son­dern alle Län­der Euro­pas, dane­ben aber auch Kun­den in Nord- und Süd­ame­ri­ka, im Nahen Osten aber auch in Süd­afri­ka belie­fern. Die rasche Zunah­me des Auto­ver­kehrs und die Nach­fra­ge nach befes­tig­ten Stra­ßen führt auch das Unter­neh­men zur Blü­te. Das vom Ver­ein deut­scher Che­mi­ker als „inter­es­san­tes und öko­no­misch arbei­ten­des Werk“ bezeich­ne­tes Unter­neh­men ist schon im Jahr 1900 erst­mals Ziel auch einer Besich­ti­gung.[35]

Die Erfolgs­ge­schich­te des Unter­neh­mens bricht mit dem Kriegs­aus­bruch 1914 ab. Ita­li­en ist Kriegs­geg­ner Deutsch­lands und Öster­reichs. Durch die Kriegs­hand­lun­gen ist der Zugang zum Asphalt­vor­kom­men nicht mehr mög­lich und geht ver­lo­ren.

Das Unter­neh­men wen­det sich nach dem Ende des Ers­ten Welt­krie­ges, nach­dem man nun auch in der Lage ist, syn­the­ti­schen Asphalt her­zu­stel­len, dem Stra­ßen­bau zu und ändert sei­nen Namen in „Asphalt­ge­sell­schaft Reh & Co. Stra­ßen­bau“. Ver­bes­se­run­gen in der Pro­duk­ti­on sind an der Tages­ord­nung, um kon­kur­renz­fä­hig zu blei­ben. Die 1920er-Jah­re sind trotz­dem eine schwe­re Zeit. Adolf Reh erlebt die­se Zeit und einen neu­en Auf­stieg in den 1930er-Jah­ren nicht mehr. Er stirbt im Alter von 74 Jah­ren am 22.8.1924 in sei­nem Haus in Ber­lin-Lich­ter­fel­de.[36]

7 Schluss

Nach dem Tod des Fir­men­grün­ders über­nimmt sein Sohn, Max Reh, die Lei­tung. Der wirt­schaft­li­che Auf­schwung der 1930er-Jah­re wirkt sich auch auf das Stra­ßen­bau­un­ter­neh­men Reh & Co. zunächst posi­tiv aus. Umso gra­vie­ren­der sind dann aller­dings die Pro­ble­me in der Kriegs­zeit, in der durch die Luft­an­grif­fe der Alli­ier­ten gro­ße Tei­le Ber­lins zer­stört wer­den, dar­un­ter auch die Ver­wal­tungs- und Pro­duk­ti­ons­stät­ten von Reh & Co. Nur zöger­lich kann nach 1947 – bis dahin war das Unter­neh­men unter Treu­hand­schaft gestellt – der Betrieb wie­der auf­ge­nom­men wer­den. Nach einer Ver­la­ge­rung des Stand­or­tes nach Span­dau pro­fi­tiert auch Reh & Co. zur Zeit des „Wirt­schafts­wun­ders“ von ver­schie­de­nen Bau­maß­nah­men. Auch in den 1980er-Jah­ren stellt Reh & Co. zahl­rei­che wei­te­re Groß­pro­jek­te in Ber­lin fer­tig.

Der Fall der Mau­er führt aller­dings bald zu anfäng­lich noch nicht sicht­ba­ren Pro­ble­men: Mehr und mehr wer­den Unter­neh­men aus dem west­li­chen Teil Deutsch­lands in Ber­lin tätig und kon­kur­rie­ren mit den dort ansäs­si­gen Unter­neh­men. Der zuneh­men­de Kon­kur­renz­druck wirkt sich auch auf die Prei­se aus. Kaum ein neu­es Pro­jekt kann mehr kos­ten­de­ckend abge­wi­ckelt wer­den.

Die Lei­tung von Reh & Co. zieht dar­aus die Kon­se­quenz: Im Jah­re 1997 wird das Unter­neh­men liqui­diert. Eine 108-jäh­ri­ge Unter­neh­mens­ge­schich­te kommt damit zu ihrem Ende.


[1] Reh & Co. Stras­sen­bau KG (Hrsg.), 75 Jah­re Reh & Co. Stras­sen­bau KG, Berlin/Frankfurt/Main, 1964; Reh & Co, Stra­ßen­bau GmbH & Co. KG (Hrsg.), 100 Jah­re Reh & Co., Ber­lin 1989.

[2] Vgl. dazu „Reh, Theo­dor“, in Hes­si­sche Bio­gra­fie, sowie Schein­ert, Wolf­gang, „Reh, Jacob Lud­wig Theo­dor“, in Neue Deut­sche Bio­gra­phie 21 (2003), S. 275–276 (Zugriff am 2023-10-25).

[3] Auf dem Mel­de­bo­gen der Mut­ter (erstellt nach dem Tod des Vaters 1868, ver­mut­lich 1871) wird der Name mit „ph“ ver­zeich­net; Adolf Reh hat – mit weni­gen Aus­nah­men – sei­nen Vor­na­men jedoch durch­weg mit „f“, also „Adolf“, ange­ge­ben.

[4] Mit­tei­lung des Stadt­ar­chivs Darm­stadt vom 26. Okto­ber 2012. In den Adress­bü­chern ist die Anschrift der Mut­ter von Adolf Reh und Wit­we nach dem Tode des Theo­dor Reh im Jah­re 1868 mit Neckar­stra­ße 9, ab 1871 unter Stein­stra­ße 8 ver­zeich­net. Das Haus ist bis 1924 im Besitz der Fami­lie Reh, anschlie­ßend in städ­ti­schem Besitz.

[5] Vgl. dazu TH Darm­stadt (Hrsg.), Tech­ni­sche Bil­dung in Darm­stadt. Die Ent­wick­lung der Tech­ni­schen Hoch­schu­le 1836–1986, Bd. 1: Hoch­schu­le, Staat und Gesell­schaft, Darm­stadt 1995, S. 65.

[6] Vgl. dazu TH Darm­stadt (Hrsg.), Tech­ni­sche Bil­dung in Darm­stadt, S. 59. Neben die­sen bei­den „Clas­sen“, wur­de auch eine wei­te­re, „beson­de­re tech­ni­sche Clas­se“ mit erheb­lich brei­te­rem und umfang­rei­che­rem Stun­den­plan geführt; dazu s. TH Darm­stadt (Hrsg.), Tech­ni­sche Bil­dung in Darm­stadt, Bd. 2: Gewer­be­schu­le und Poly­tech­ni­kum S. 64–65.

[7] Uni­ver­si­täts­ar­chiv TU Darm­stadt, TH 11/01 Nr. I/2 (Matri­kel­buch 1861–1891), TH 11/01 Nr. IX/2 (Zen­sur­buch Obe­re All­ge­mei­ne Abtei­lung 1863–1869), TH 11/01 Nr. IX/3 (Zen­sur­buch Unte­re All­ge­mei­ne Abtei­lung 1864–1869).

[8] Uni­ver­si­täts­ar­chiv TU Darm­stadt, TH 11/01 Nr. IX/2 (Zen­sur­buch Obe­re All­ge­mei­ne Abtei­lung 1863–1869).

[9] Zur inter­na­tio­na­len Stel­lung die­ses Unter­neh­mens vgl. die Stu­die von Sus­an Becker, Mul­ti­na­tio­na­li­tät hat ver­schie­de­ne Gesich­ter. For­men inter­na­tio­na­ler Unter­neh­mens­tä­tig­keit der Socié­té Anony­me des Mines et Fon­de­ries de Zinc de la Vieil­le Mon­tagne und der Metall­ge­sell­schaft vor 1914, (BzUG 14), Stutt­gart: Franz Stei­ner Ver­lag, 2002. Zur beson­de­ren Stel­lung von Neu­tral-Mores­net s. Leo Wint­gens, Neu­tral-Mores­net-Neu­tre. Kel­mis, La Cal­mi­ne, Eupen: Grenz-Echo Ver­lag 1987; auch Leo Wint­gens, Neu­tral-Mores­net-Neu­tre. Echos aus einem euro­päi­schen Kurio­sum, Aachen: Heli­os-Ver­lag 2010. Die Anga­be zu Max Braun als Direk­tor der Vieil­le Mon­tagne auf S. 194.

[10] Wint­gens, Neu­tral-Mores­net-Neu­tre, S. 18–19.

[11] Kopie des Mel­de­bo­gens lt. Mit­tei­lung des Stadt­ar­chivs Darm­stadt vom 26. Okto­ber 2012.

[12] Zu die­sen Ein­zel­hei­ten über Max Braun und die Vieil­le Mon­tagne sie­he die Aus­füh­run­gen von Peter Geck (und Chris­ti­an Wol­kers­dor­fer) (Zugriff am 2023-10-25).

[13] Zu die­sem Punkt sie­he die Aus­füh­run­gen von Peter Geck (End­no­te 12).

[14] Yoshi­ki Fum­io, Kin­dai gijutsu dōnyū to kōzan­gyō no kin­dai­ka (Die Ein­fuhr moder­ner Tech­no­lo­gie und die Moder­ni­sie­rung des Berg­baus), United Nati­ons Uni­ver­si­ty HSDRJE-23J/UNUP-72, 1979, S. 26–27. Sie­he auch Yoshi­ki Fum­io, How Japan’s Metal Mining Indus­tries Moder­ni­zed, Tōkyō: United Nati­ons Uni­ver­si­ty HSDRJE-23/UNUP-83, 1979, S. 13–15. – Anmer­kung von Chris­ti­an Wol­kers­dor­fer: Das Berg­werk ist zwi­schen­zeit­lich UNESCO Welt­kul­tu­re­er­be und unter­hält die Inter­net­sei­te www.sado-goldmine.jp

[15] Dazu ausf. Yama­mo­to Yoshi­no­suke, Sado no hya­k­u­nen (100 Jah­re Sado), Sado: Sado kyō­do bun­ka no kai 1978 (1962), S. 98–99.

[16] Sado-shi kyōi­ku-iin­kai sekai isan bun­ka shin­kō-ka (eds), Ōgon no shi­ma o aru­ku (Wan­de­run­gen auf der Gold-Insel), Sado 2008, S. 84.

[17] Dazu ausf. Sado-shi kyōi­ku-iin­kai sekai isan bun­ka shin­kō-ka (eds), Kyū Sado kōzan kin­dai-ka isan ken­zō-butsu mure chō­sa hōko­ku-sho, Sado 2008, Kap. 4.

[18] Sai­tō Motoya­su, Mei­ji sho­ki Sado kin­gin­zan no kin­dai-ka (Zur Moder­ni­sie­rung des Gold- und Sil­ber­berg­werks Sado in der frü­hen Mei­ji-Zeit)、http://www.e‑convention.org//imhcp//papers/Saito_j.pdf, pp. 3–4 (Zugriff am 2010-09-07; der Bei­trag wur­de zwi­schen­zeit­lich gelöscht).

[19] Oka­da Yōi­chi, „Hon­pō kōzan tōka-kō“ (Über­le­gun­gen zum Geleucht im japa­ni­schen Berg­werk), in Kyūs­hū kōzan gak­kai-shi Vol. 2, No. 12, S. 873–883, ins­bes. S. 878; vgl. dazu auch TEM ken­kyū-shio (Komp.), Zusetsu Sado kin­zan (Bild­li­che Dar­stel­lung des Gold­berg­werks Sado), Tōkyō: Kawa­de sho­bō shin­sha 1985, S. 58–59.

[20] „Das Kup­fer­erz- und Salz-Vor­kom­men in der Per­mi­schen For­ma­ti­on Süd­russ­lands“, in Zeit­schrift für das Berg‑, Hütten‑, und Sali­nen­we­sen im Preus­si­schen Staa­te, Bd. 29 (1881), S. 276–280.

[21] „Das Kup­fer­kies- und Schwe­fel­kies-Vor­kom­men von Pret­t­au im Ahren­thal (Süd-Tyrol) und des­sen tech­ni­sche Aus­beu­tung“, in Zeit­schrift für das Berg‑, Hütten‑, und Sali­nen­we­sen im Preus­si­schen Staa­te, Bd. 31 (1883), S. 166–172.

[22] Laut Mit­tei­lung von Dr. Heinz Moser, Tiro­ler Lan­des­ar­chiv vom 16.5.2008: Mel­de­buch Inns­bruck, Band 1/12 (Haupt­par­tei­en­pro­to­koll 1881–1893), Nr. 49: Berg­in­ge­nieur Adolf Reh.

[23] Rudolf Tasser/Norbert Scan­tam­bur­lo, Das Kup­fer­berg­werk von Pret­t­au, Bozen: Athe­sia 1991, S. 75.

[24] Dies­be­züg­li­che Infor­ma­tio­nen stam­men von Hans Lei­ter, Muse­ums­lei­ter im Korn­kas­ten Stein­haus (Mail vom 7. Mai 2008) und von Rudolf Tas­ser, dem ehe­ma­li­gen Direk­tor des Süd­ti­ro­ler Berg­bau­mu­se­ums.

[25] Dazu sie­he Hans Lei­ter, „Schwe­fel­säu­re aus Pret­t­au­er Erz oder Schwe­fel­kies und der wei­te Weg nach Heufeld in Bay­ern“, in Tiro­ler Chro­nist Nr. 92 (Okto­ber 2003), S. 12–18, ins­bes. S. 13 und 15. Vgl. dazu auch die schwär­me­ri­schen Aus­füh­run­gen von Adolf Reh in sei­nem Bei­trag zum Kup­fer­kies- und Schwe­fel­kies-Vor­kom­men von 1883 in der Zeit­schrift für das Berg‑, Hütten‑, und Sali­nen­we­sen im Preus­si­schen Staa­te. Es heißt dort wie folgt: „Da die Gewin­nungs­kos­ten sehr nied­rig sind, wird daher der Schwe­fel­kies-Abbau, trotz der gro­ßen Frach­ten für den Kies bis zur Fabrik, ein sehr güns­ti­ges Resul­tat erge­ben. Im lau­fen­den Jah­re 1883 sol­len 1 500 t, im Jah­re 1884 das dop­pel­te Quan­tum geför­dert und ver­sandt wer­den“ (S. 172).

[26] Schrift­li­che Mit­tei­lung von Dr. Hans Lei­ter vom 23. Okto­ber 2012. Zum Pro­be­ofen (Schacht­ofen) und sei­nen Abmes­sun­gen sie­he auch Adolf Rehs Hin­wei­se in sei­nem Bei­trag zum Kup­fer­kies- und Schwe­fel­kies-Vor­kom­men von 1883 in der Zeit­schrift für das Berg‑, Hütten‑, und Sali­nen­we­sen im Preus­si­schen Staa­te als Fuß­no­te auf S. 172.

[27] Hans Lei­ter, „Schwe­fel­säu­re aus Pret­t­au­er Erz …“, S. 15.

[28] Zur Geschich­te der Sil­ber­lei­t­he s. Chris­ti­an Wol­kers­dor­fer Berg­bau an der Sil­ber­lei­t­he – Geschich­te, Mine­ra­li­sa­ti­on und Ent­ste­hung der Blei-Zink-Vor­kom­men im west­li­chen Mie­min­ger Gebir­ge, 2. Aufl., 89 S., 74 Abb., 6 Tab.; Frei­berg 2000 (Eigen­ver­lag Wol­kers­dor­fer); eine kurz gefass­te Ein­füh­rung zur Geschich­te s. auch in Chris­ti­an Wol­kers­dor­fer u.a., Füh­rer zum Mon­tan-Wan­der­weg Sil­ber­lei­t­he, Biber­wier: Berg­werks­ver­ein Sil­ber­lei­t­he Tirol 2007.

[29] Wie bedeut­sam der Anteil des Max Braun war, wird auch in der Tat­sa­che deut­lich, dass man einen Stol­len spe­zi­ell als „Max-Braun-Stol­len“ benann­te.

[30] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Silberleithe#Gewerken_an_der_Silberleithe (Zugriff am 2023-10-25).

[31] Auch ande­re Bei­spie­le von in Japan tätig gewe­se­nen aus­län­di­schen Kräf­ten zei­gen, dass sie häu­fig ihre dort erziel­ten und meist nicht uner­heb­li­chen Ein­künf­te nach ihrer Rück­kehr in Unter­neh­mens­an­tei­le inves­tier­ten.

[32] Sie­he die Lis­te der Gewer­ken an der Sil­ber­lei­t­he (die­se Lis­ten aller­dings ohne genaue Jah­res­an­ga­ben!)

[33] Mit­tei­lung des Stadt­ar­chivs Darm­stadt vom 26. Okto­ber 2012.

[34] Das Werk lag in Ber­lin, Char­lot­ten­burg, Helm­holtz­stra­ße 3. Die ver­schie­de­nen vor­an­ge­hen­den und nach­fol­gen­den Anga­ben zu die­sem Unter­neh­men sind anhand der Anga­ben in den Fir­men­fest­schrif­ten Reh & Co. Stras­sen­bau KG (Hrsg.), 75 Jah­re Reh & Co. Stras­sen­bau KG, Berlin/Frankfurt/Main, 1964; Reh & Co, Stra­ßen­bau GmbH & Co. KG (Hrsg.), 100 Jah­re Reh & Co., Ber­lin 1989, zusam­men­ge­stellt.

[35] Zeit­schrift für ange­wand­te Che­mie, Bd. 13, No. 31 (1900), S. 778.

[36] Zeit­schrift für ange­wand­te Che­mie, Bd. 37 (1924), S. 728.

Erich Pau­er, bear­bei­tet von Chris­ti­an Wol­kers­dor­fer 23. Okto­ber 2023 – 13. April 2025