von Christian Wolkersdorfer (Außerferner Nachrichten 7. Juni 1990)
Im August 1991 jährt sich die Erstbeschreibung des Gesteins Ehrwaldit zum 125. Mal. Aus diesem Grund sei im folgenden eine Zusammenfassung der neuesten Erkenntnisse über den Ehrwaldit gegeben.
Der Heimatautor und Naturwissenschaftler Adolf Pichler entdeckte 1888 im Lehnbachgraben über Ehrwald/Tirol ein bislang unbeschriebenes schwarzes Gestein, dem er neun Jahre später den Namen Ehrwaldit gab. Dieser Name hat sich auch international halten können, obwohl in der Gesteinskunde (Petrographie) immer wieder versucht wurde; die vielen Lokalbezeichnungen von Gesteinen abzuschaffen. Trommsdorff et al. schlagen in einem vor kurzem in der Geologischen Rundschau (Heft 79/1, Seiten 86 – 97) erschienenen englischsprachigen Artikel ebenfalls vor, den Namen Ehrwaldit beizubehalten, obwohl das Gestein normativ einem Nephelin-Basanit entspricht.
Der Ehrwaldit kommt nicht nur im Lehnbachgraben („Wildbachstufe“) vor, wie meistens geglaubt wird, sondern auch am Südabbruch des Wettersteins (Puitentalzone), sowie östlich der Birkkarspitze im Karwendel und südlich Imst. Die Gesteinsgänge sind normalerweise ein bis zwei Meter dick und in die Kalke und Kieselkalke des oberen Jura der Lechtaldecke eingedrungen („introdiert“). Letztere wurden im Kontaktbereich metamorph verändert, während der Ehrwaldit selbst kaum eine Metamorphose durchmachte.
Die Matrix des Ehrwaldit ist aus den Mineralien Augit, Olivin, Kaersantit, Chlorit, Analcim, Natrolit und Biotit aufgebaut. Die größeren Kristalle hingegen bestehen aus Klinopyroxen, Olivin und Aluminium-Spinell. Chemische Analysen ergeben eine charakteristische Zusammensetzung von 39 % Silizium Dioxid, 12 % Magnesium-Oxid, 13 % Calcium-Oxid, 11 % Eisen Oxide, 3 % Titan Oxid, 2 % Di-Natrium-Oxid und weitere Spurenelemente. Bestätigt durch die Isotopencharakteristik stellen die Ehrwaldite Nephelin-Basanite dar, wie sie in tertiären oder quartären Olivin-Nephelinit Provinzen Europas und der Welt vorkommen. Ähnlichkeiten zeigen sich auch mit südostaustralischen Gesteinen oder solchen aus Hawaii. Zusammen mit den Strontium/Neodym Verhältnissen und denen der Seltenen Erden, weisen die Daten daraufhin, dass die Ehrwaldite aus Schmelzen des Erdmantels entstanden sind, die basischen Gesteinen (Basaniten) neogener Rift-Systeme in Europa entsprechen.
Lange Zeit war unter Geologen umstritten, zu welchem Zeitpunkt die Ehrwaldite in die jurassischen Gesteine eingedrungen sind. Trommsdorff et al. errechneten deshalb mit Hilfe der Kalium/Argon Methode das Alter des Gesteins. Obwohl die Proben von vier verschiedenen Stellen genommen wurden, ergab sich ein übereinstimmendes Alter von 99,4 ± 2 Millionen Jahren. Dieses Ergebnis deckt sich im wesentlichen mit den Beobachtungen im Gelände. Weiterhin zeigen die Daten wegen ihren geringen Abweichungen, dass nach dem Eindringen des Ehrwaldit kaum mehr eine Veränderung des Gesteins stattgefunden hat. Da der Ehrwaldit nur in der Lechtaldecke vorkommt, waren die Allgäu‑, Lechtal- und Inntaldecke vor 100 Millionen Jahren, zur Zeit des oberen Alb, also noch nicht übereinander geschoben, wie dies heute der Fall ist.
Die Bedeutung dieser Ergebnisse wird deutlich, wenn Drucktemperatur Versuche zur Betrachtung hinzugenommen werden. Schmelztemperatur (1200 – 1300 °C) und Druck (25 bis 30 Kilobar) lassen eine Entstehungstiefe des Ehrwaldit von 80 Kilometern folgern. Tollmanns Annahme einer Subduktionszone mit Kompressionstektonik kann somit zur Zeit des Magmenaufstiegs nicht gehalten werden. Vielmehr drang der Ehrwaldit in eine Dehnungszone ein, die auf einem kontinentalen Sockel ruhte. Alle Beobachtungen von Trommsdorff et al. legen die Möglichkeit für ein Horst Graben System nahe.
Insgesamt zeigt die Abhandlung, das der Ehrwaldit, obwohl schon seit fast 125 Jahren bekannt, noch immer ein Forschungsobjekt darstellt und Ergebnisse liefert, die wichtig sind, wenn es um das Verständnis der Vorgänge in den Alpen geht. Einige sehr schöne Exemplare Ehrwaldit sind übrigens im Ehrwalder Heimatmuseum ausgestellt1.
1 Leider nicht mehr in der Dauerausstellung zu sehen
Christian Wolkersdorfer 26. April 2007