von Marcus Wandinger, München
1 Einführung
Östlich des uralten Verkehrswegs über den Fernpass ruht der einst größte Bergbaubetrieb des Außerferner Gebiets: das Bergwerk an der Silberleithen wenig südöstlich Biberwier. Heute, acht Jahrzehnte nach der Stilllegung dieses 400 Jahre alten Betriebes im Jahre 1921, ist der Bergbau den meisten Benützern der Fernpassstraße unbekannt. Dem heutigen Wanderer fallen bestenfalls die Bremsbergschneise (Abb. 1), große Halden (Abb. 2) und einige Ruinen ins Auge.
Während in der Literatur bei vielen Kirchen Tirols, sei es in Nord‑, Ost- oder Südtirol, die Beziehung zum Bergbau erwähnt wird, wird das Gebiet des Ehrwalder Beckens, besonders Biberwier, in dieser Hinsicht oft übergangen. Doch gerade die Kirche von Biberwier steht wie selten eine Pfarrkirche in engem Bezug zum örtlichen Bergbau. Vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die Geschichte der Kirchen der Pfarrei Biberwier und ihre Ausstattung mit besonderer Berücksichtigung der Verbindungen zur Gewerkschaft Silberleithen und der Biberwierer Knappschaft.
2 Rochuskapelle „auf der Geißel“ zum Hl. Rochus und HI. Sebastian
2.1 Baugeschichte
Das Gebiet der Gemeinde Biberwier war in alter Zeit kirchlich zunächst der großen Pfarre Imst zugehörig. Erst nach Errichtung einer eigenen Seelsorge zu Lermoos im Jahre 1423 wurde es dieser als Filiale angegliedert. Doch eine eigene Kirche oder Kapelle besaß diese Gemeinde noch lange Zeit nicht.
Der Bergbau an der Silberleithen war bereits rund 100 Jahre in Betrieb (seit 1511), als das erste Gotteshaus der Gemeinde Biberwier errichtet wurde. Diese „Pestkapelle“ wurde nach der Pestepidemie 1611 „auf der Geißel“, einem Hügel zwischen Biberwier und dem Bergbau an der Silberleithen, im spätgotischen Stil erbaut. An die Nordseite der Kirche schmiegt sich ein kleiner, mit einem Mäuerchen umgebener Pestfriedhof an. Aus Angst vor dem „Schwarzen Tod“ hatte man diese Friedhöfe außerhalb der Wohnorte angelegt.
Schon am 4. Jänner 1622 stiften der Ehrenbergische Richter Jos. Tasch und seine Ehefrau Rosina eine Jahresmesse für diese Kapelle. Doch erst am 15. August 1625 wurde die Kapelle vom Brixner Weihbischof Anton von Crosini mit einem Altar zu Ehren Mariä Himmelfahrt und der Heiligen Rochus und Sebastian geweiht. Am selben Tag wurde eine Urkunde unterzeichnet zur Stiftung von zwei Hl. Messen am St. Margaretentag und am Fest Kreuzerhöhung sowie zwei weiterer Jahresmessen. Die Gemeinde hatte dafür dem Geistlichen von Lermoos, der diese Messen feiert, jährlich um Martini (also um den 11. November) 2 fl. 40 kr. zu zahlen (1).
Um 1691 wurde die Kapelle umgebaut: Links und rechts des Altares wurden Fenster ausgebrochen, der Chorbogen wurde neu errichtet und ein bedeutend größeres Kirchenschiff erbaut. In dieser Zeit dürfte auch die Sakristei erbaut worden sein. Durch den Umbau um 1691 wurde ein an der Westseite der Kirche in gebr. Siena gemaltes Christophorusbild verdeckt, das heute im Dachteil der Sakristei noch zum Teil zu sehen ist.
Unter der Regierung Josefs II. wurde 1784 die Kirche gesperrt und an Jakob Alois Strele samt Grundstücken verkauft. Das Vermögen wurde dem Religionsfonds und der Kirche zu Lermoos (für Jahrtagsmessen) einverleibt. Aber schon 1790 bewilligte das Gubernium auf Bitten der Gemeinde und des Besitzers die Wiedereröffnung. Nachdem der Besitzer Alois Strele Bankrott gemacht hatte, kaufte der Anwalt Jäger aus Lermoos die bei der Kapelle liegenden Gründe in der Annahme, dass auch die Kapelle zum Eigentum gehöre. Nach mehreren Jahren überließ er die Rochuskapelle (Abb. 3 und 4) jedoch wieder der Gemeinde Biberwier, in deren unbestrittenem Eigentum sie bis heute ist.
2.2 Ausstattung
Schon von weitem fällt heute an der Ostseite der Außenfassade ein überlebensgroßes Gemälde des HI. Christophorus auf: es wurde 1928 von Hans Valentin gemalt, der damit an die ursprüngliche Christophorusdarstellung an der Westseite an knüpfte, die beim Umbau 1691 großenteils verschwand. Diese überlebensgroßen Darstellungen des Hl. Christophorus an Außenwänden gotischer Kirchen und an anderen belebten Punkten gehen auf eine alte Tradition zurück: Der Hl. Christophorus ist Patron gegen jähen und unvorbereiteten Tod; die Betrachtung seines Bildes am Morgen gilt als Schutzmittel für die Bewahrung der Lebenskraft bis zum Abend.
Ebenfalls in die Epoche der alten Kapelle (vor dem Umbau 1691) datieren die noch erhaltenen Reste des Rochus- und Sebastianbildes mit renaissanceartigen, frühbarocken Ornamentumrahmungen und Schrifttafeln, sowie der „Höllenrachen“ des Jüngsten Gerichtes.
Die drei Künstler Hanns Pötsch (Landeck) sowie Michael Biller und Christian Petz (beide Vils) fertigten 1618 den Hochaltar an. Er besitzt im Mittelschrein drei Statuen: Maria mit dem Jesuskind, Rochus und Sebastian; in der Predellenzone zwei stehende Engel, im Auszug links Hl. Georg, rechts Hl. Florian und im mittleren Rundgemälde den Evangelisten Johannes und die Hl. Barbara. Im Hintergrund eine Darstellung der Bergwerkshäuser von Biberwier. Es handelt sich dabei wohl um die erste Schmelzhütte in Biberwier, die 1645 erstmals erwähnt wird und im wesentlichen aus zwei Schachtöfen und zwei Röstöfen bestand. Ein eigener Ofen zum Brennen des Feinsilbers kam erst 1719 dazu. Diese Hüttengebäude sind nach der Mitte des 18. Jh. durch einen Brand zerstört worden.
Der linke Seitenaltar zeigt die Entstehungsgeschichte der Wallfahrt von Maria Waldrast (oberhalb Matrei am Brenner) und dürfte erst nach der Aufhebung unter Josef II. in die Kapelle gekommen sein. Auch das Kloster Maria Waldrast fiel damals der Säkularisation zum Opfer.
Über der Kanzel hängt ein Gemälde mit einer Darstellung des Kindermords von Bethlehem.
Im Turm befinden sich zwei Glocken, beide gegossen von Hainrich Reinhard zu Innsbruck: die größere mit der Inschrift „Hainrich Reinhard zu Innsbruck gus mich in MDC:XXI“ (gegossen 1621) und eine zweite, kleinere Glocke (gegossen 1618).
Einige Votivtafeln zeugen davon, dass dieses Gotteshaus zugleich auch Wallfahrtsort war und auch heute noch ist. Wir dürfen annehmen, dass auch die Bergknappen auf ihrem Weg von Biberwier hinauf zu den Gruben an der Silberleithen hier eine kurze Rast einlegten und vor der Einfahrt in die Gruben ihr Gebet verrichtet haben.
3 Pfarrkirche St. Josef
3.1 Die erste Kapelle in Biberwier anno 1686: Kapelle zur HI. Familie Jesus, Maria und Josef
Im Jahre 1686, gut 60 Jahre nach Einweihung der Rochuskapelle, erhielt der Gastwirt Johann Platner die Erlaubnis, im Dorf selbst auf eigene Kosten und auf eigenem Grund und Boden eine Kapelle zu erbauen. Fürstbischof Johann Franz Graf von Khuen von Brixen weihte diese Kapelle am 20. Oktober 1688 (2) zu Ehren der Heiligen Familie Jesus, Maria und Josef. Dabei wurde der Altar mit Reliquien u.a. der Märtyrer Hadrian (der seit dem 14. Jh. auch als Pestheiliger galt) und Bonifatius versehen.
Nun hatte Biberwier also eine eigene Kirche, da ist der Wunsch nach einem eigenen Kaplan für diese Kirche gut verständlich. Zu jener Zeit war das Wort Priestermangel noch ein Fremdwort, und es fanden sich bald Priester, die in Biberwier ihren Wohnsitz nahmen und sich mit dem bescheidenen Einkommen aus den täglichen Messstipendien begnügten. Schon Anfang der 90er Jahre des 17. Jh. wird der Kaplan Jakob Greiter genannt, später (um 1705) Anton Zeiller, der auch noch im Jahre 1717 genannt wird. Es folgen Sebastian Reißer (1735), Martin Stubenpöck (1740), Anton Marth (1742), Karl Anhell (1745) (3). Sie besaßen in der Regel auch die Lizenz zum Beichte-Hören, was allerdings manchmal den Widerspruch der Kuraten zu Lermoos hervorrief. Überhaupt stand ihre Existenz in Biberwier auf sehr unsicherem Boden: Ihr einziges Einkommen stammte von den freiwilligen Gaben der Gemeinde und der Messstipendien. Nicht einmal eine eigene feste Wohnung hatten sie.
Inzwischen waren der Bergbau an der Silberleithen ebenso wie der Ort Biberwier gewachsen. Die Gewerkschaft Silberleithen bei Biberwier besaß ein gewisses Vermögen und stiftete schließlich 1742 jährlich 26 fl. zur Aufbesserung des Kaplan-Einkommens. Im gleichen Jahr verpflichtete sich die Gemeinde zur jährlichen Zahlung von 67 fl. 36 kr. an den Kaplan, neben einer freien Wohnung und Brennholz. Als Gegenleistung war der Kaplan verpflichtet, an allen Sonntagen für die Gemeinde und an allen Samstagen für die Gewerken zu applizieren, d.h. die Hl. Messe im Gedenken an den jeweils genannten Personenkreis darzubringen. Trotz dieser Zuwendungen darf die Kaplanei zu Biberwier finanziell immer noch als eher dürftig eingestuft werden. Eine erhebliche Verbesserung erfolgte ab 1770 durch den wegen seiner Wohltätigkeit bekannten Kaufmann Jacob Mang Amann zu Reutte, der auch Berg- und Schmelzherr zu Biberwier war. Er stiftete der Gemeinde Biberwier zur besseren Unterhaltung ihres Kaplans insgesamt rund 3193 fl., nämlich zunächst am 5. Juni 1770 eine Summe von 721 fl. 34 kr. und später am 1. Mai 1775 eine Summe von 431 fl. 53 kr. Als Gegenleistung war die Gemeinde verpflichtet, jährlich insgesamt neun Hl. Messen in der Biberwierer Kirche nach der Intention des Stifters lesen zu lassen. Darüber hinaus vermachte er in seinem Testament weitere 2040 fl. zu besagtem Zweck an die Gemeinde (4).
3.2 Neubau einer größeren Kirche 1827: Kirche zum HI. Josef
Nach über 100 Jahren war die Kapelle zu klein und zudem baufällig geworden. 1804 hat Josef Sterzinger, Wirt zum Goldenen Löwen zu Biberwier, alle seine Eigentumsansprüche an der ihm gehörenden Familienkapelle zur Hl. Familie Jesus, Maria und Josef an die Gemeinde abgetreten und zugleich unentgeltlich mit dem erforderlichen Grund (auf dem sogenannten Hammerfeld) für eine Erweiterung oder einen Neubau einer Kirche versehen (5). Die Gemeinde Biberwier entschloss sich zum Bau einer neuen, größeren Pfarrkirche. Die Kapelle wurde abgerissen, und an derselben Stelle begann man am 15. Juli 1827 mit dem Neubau der heutigen Kirche. Mit größtem Eifer beteiligte sich das ganze Dorf an der Beschaffung der Steine; nur Kleinkinder und 80jährige Männer und Frauen blieben zu Hause. Diese Handlangerschichten beliefen sich auf einen Wert von 15.000 Gulden (6).
Der Kirchenneubau fiel in die Zeit der zweiten Blüte des Bergbaus in Biberwier und in Nassereith, nachdem seit der Teilerneuerung der Biberwierer Erzwäsche im Jahre 1775 nun auch Zinkerz (Galmei) aufbereitet werden konnte. Natürlich hat sich die Gewerkschaft Silberleithen erheblich am Bau beteiligt: 1830 stiftete sie 600 fl. für einen neuen Hochaltar. Auch die beiden Seitenaltäre wurden von den Knappen beschafft.
1830 war der Bau vollendet. Noch im selben Jahr wurde in Biberwier eine Expositur errichtet. Im Stiftbrief vom 11. Juli 1830 wurde auf die „neue, geräumige, schöne Kirche mit Kirchthurm und Gottesacker“ sowie den „eigenen Widum“ hingewiesen. Die Expositur gehörte weiterhin zur Kuratie Lermoos (7).
Am 7. Juni 1831 wurde die Kirche (Abb. 5) von Fürstbischof Bernhard Galura zu Ehren des HI. Josef eingeweiht (8). Die Orgel von Johann Georg Gröber aus Innsbruck wurde 1842 aufgestellt, sie hat 10 Register und kostete 1100 fl.
Mit Stiftbrief vom 13. März 1840 wurde zu Biberwier eine Kooperatur gestiftet, also eine Kaplanstelle eingerichtet. Zur Anstellung des zweiten Priesters sicherte die Gewerkschaft Silberleithen die Aushändigung eines Kapitals von 4000 fl. R.W. zu, außerdem gaben Franz Joseph Habtmann (Hauptgewerke der Gewerkschaft Silberleithen) und Joseph Simon Kapferer (Verwalter der Gewerkschaft und Handelsmann zu Innsbruck) zu gleichen Zwecken noch das Kapital zur Ermöglichung einer jährlichen Rente von je 200 fl. Die Gemeinde sicherte schließlich einen jährlichen Beitrag von 40 fl. R.W. Im selben Jahr stiftete die Gewerkschaft für Messen den Betrag von 37 fl. 40 kr. jährlich (9). Damals hat sich ein kurzer wirtschaftlicher Aufschwung des Bergwerks abgezeichnet.
In dieser Zeit besaß die Gewerkschaft die Forderung nach sechs Stiftmessen jährlich, und zwar am 19. März (Fest des HI. Josef; Applikation für die Stifter); 2. April (Applikation für die Stifter); 23. Oktober (Applikation für den „verdienten Kontrollor Alois Wörz und die Wörz’sche Familie“); 2. November (Allerseelen; Applikation für alle verstorbenen Gewerken und Knappen); 4. Dezember (Gedenktag der Hl. Barbara; Applikation um Erlangung des Bergsegens); 6. Dezember (Fest des HI. Nikolaus; Applikation für eine glückliche Sterbestunde für die Gewerken und die Knappen) (10).
Am 8. März 1864 wurde die Expositur Biberwier durch Fürstbischof Vincenz von Brixen zur Kuratie erhoben. Erster Kurat zu Biberwier war der Diözesanpriester Anton Förg (11).
Auch die Knappschaft hat von jeher zu den Applikationen aus der Knappschaftskasse beigetragen, so z.B. wöchentlich eine HI. Messe für die Knappschaft sowie mehrere Votivämter jährlich. Im Mai 1864 erklärte sie durch ihren Vertreter Johann Wörz, dass sie die Vergütung von 85 sonn‑, fest- und feiertäglichen Applikationen für die Gemeinde aus ihrer Kasse übernehme durch die Entrichtung des einfachen Manualstipendiums von 44 kr. ö.W. Bereits damals wurde festgelegt, dass im Falle der Verminderung oder gar Auflösung der Knappschaft die Gemeinde obige Vergütung quartalsweise zu 9 fl. 35 kr. ö.W. aus ihrer Kasse leisten werde (12).
Anfang des 20. Jh. wurde der Innenraum offensichtlich erheblich umgestaltet. Im Zuge dieser Arbeiten hat der Bozner Maler Albert Stolz neue Deckengemälde angebracht: im Kirchenschiff ein Gemälde der Immaculata, an den Gewölbeseiten je eine mit Blumen gefüllte Vase sowie eine Dekoration eines Gewölbebogens über der Chorempore. Die Gemälde waren signiert und datiert 1929 (13).
3.3 Kirchenrenovierung 1990–1992
Größere Schäden entstanden 1923, als ein Blitz in den Turm einschlug und auch Teile des Daches beschädigte, allerdings ohne zu zünden. Der Turm wurde ausgebessert und mit Lärchenschindeln neu gedeckt. Wegen Baufälligkeit des Daches wurde es 1953 mit Biberschwänzen neu gedeckt. Diese aber waren für die Dachkonstruktion zu schwer, so dass das Dach die Kirchenmauern hinausdrückte. Ein Zusammenhängen der Mauem in den 70er Jahren brachte keinen Erfolg. Deshalb wurde 1984 vom Kirchenrat eine Gesamtrenovierung beschlossen und bereits 1985 wurde das Biberschwanzdach durch ein leichteres Lärchenschindeldach ersetzt.
1986/87 wurde die Außenfassade erneuert. 1989 begannen die Vorbereitungen für die Innenrenovierung. Am Pfingstdienstag 1990 wurde die Kirche geschlossen und mit den Vorbereitungsarbeiten begonnen. Die Innenrestaurierung, auch der Altäre, Kanzel und Beichtstühle, übernahm die Firma Gebrüder Pescoller OHG, Bruneck. Ende August 1992 waren die Arbeiten abgeschlossen.
Im Zuge der Kirchenrenovierung hat auf dringenden Wunsch des örtlichen Komittees zur Renovierung der Pfarrkirche zum Hl. Josef das Landeskonservatorat für Tirol entgegen den ursprünglichen Plänen einer Neugestaltung der Decke stattgegeben, allerdings unter der Auflage, dass „die Malereien von Albert Stolz auf keinen Fall zerstört, sondern lediglich übermalt werden“ dürfen (14).
3.4 Heutige Ausstattung
Das gesamte Innere der Kirche erstrahlt seit der Kirchenrenovierung wieder in der Farbenvielfalt des Klassizismus. Der Hochaltar, die beiden Seitenaltäre, ein kleines zusäzliches Nebenaltärchen, Kanzel und die bei den Beichtstühle sind aus bunt gefasstem Holz gefertigt.
Beginnen wir unseren kleinen Rundgang mit den Deckengemälden: Im Zuge der Kirchenrenovierung gestaltete der einheimische Künstler Wolfgang Schennach das neue Deckengemälde im Kirchenschiff. Es stellt die Hl. Familie auf der Flucht nach Ägypten dar (signiert „Wolfgang Schennach, Ehrwald, 1990“). Das Deckengemälde im Presbyterium, ebenfalls von Wolfgang Schennach, zeigt die Anbetung der Hirten zu Weihnachten.
Besonders bemerkenswert ist das Hochaltargemälde (Abb. 6) von Martin Alois Stadler aus Imst. Es zeigt die seltene Darstellung des Todes des HI. Josef: der Heilige liegt auf seinem Sterbebett, umgeben von Christus und der noch jugendlich wirkenden Maria, darüber zwei Engel auf Wolken.
Die Inschrift am Hochaltar über dem Altarblatt stellt den Bezug zur Gewerkschaft Silberleiten her (Abb. 7):
Dankopfer von der Silberleitner Gewerkschaft in Biberwier dargebracht
Die hier farblich hervorgehoben Buchstaben ergeben zusammengesetzt:
DVDILLIWCIIWIDC
Dahinter verbirgt sich ein sog. Chronogramm. Interpretiert man die Buchstaben als römische Zahlen, wobei hier das „W“ für zweimal „V“ steht, und addiert die entsprechenden Zahlwerte (15), so erhält man ein wichtiges Datum, hier die Jahreszahl 1830, in dem die Gewerkschaft Silberleithen diesen Altar gestiftet hat.
Die Heiligenfiguren am Hochaltar wurden 1832 von Franz Xaver Renn, ebenfalls aus Imst, angefertigt. Sie stellen links die HI. Barbara (Sujets: Kelch mit Hostie und Schwert) und rechts den HI. Nikolaus dar.
Die beiden Seitenaltäre wurden von der Biberwierer Bergleutebruderschaft gestiftet. Der rechte Seitenaltar ist der HI. Barbara geweiht, der Patronin der Bergleute (Abb. 8). Das Altargemälde von Martin Alois Stadler (signiert, 1833) zeigt die Hl. Barbara vor einer Ansicht der Berg- und Schmelzanlagen zu Biberwier (Abb. 9); dabei handelt es sich um die 1775 für die Zinkerzaufbereitung nachgerüstete Erzwäsche (16). Ob in dem dargestellten Gebäudeensemble auch bereits die neue Biberwierer Zinkhütte dargestellt ist, muss hier offen bleiben. Seit 1810 geplant, erhielt die Gewerkschaft Silberleithen erst 1826 die erforderliche staatliche Bewilligung zum Bau dieser Hütte! Die Zinkfabrikation war damals noch ein Staatsmonopol. Hingewiesen sei noch auf das ebenfalls am rechten Seitenaltar befindliche Bild des Hl. Aloysius von Gonzaga.
Der linke Seitenaltar ist der Hl.-Kreuz-Altar. Das Altarbild zeigt den Gekreuzigten, ein weiteres kleines Gemälde stellt den HI. Antonius von Padua dar. Dieser Altar besitzt keine Elemente, die direkten Bezug zum Bergbau haben.
Neben dem Hochaltar steht auf der Evangelienseite (Nordseite) ein kleines Nebenaltärchen mit einer Darstellung des Heiligsten Herzens Jesu.
Die drei Glasfenster im Presbyterium (Altarraum) stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jh. In der Nordwand des Presbyteriums befinden sich zwei Glasfenster mit Darstellungen der Hl. Theresia vom Kinde Jesu (gestiftet 1935 von Josef und Amalie Luttinger) und des HI. Johannes der Täufer (gestiftet 1929 von Johannes Perktold). In der Südwand befindet sich nur ein Glasfenster mit einem Bild des Hl. Roman (gestiftet 1929 von H.H. Roman Fink, Pfarrer zu Biberwier) – anstelle des zweiten Fensters der Südwand ist hier die Sakristei angebaut.
An der rechten (südlichen) Kirchenwand fällt die Kanzel auf mit Darstellungen der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Auf dem Schalldeckel sind die Gesetzestafeln des Alten Bundes und die HI. Geist-Taube dargestellt. Gegenüber der Kanzel, an der nördlichen Seitenwand, ist eine Schutzengelgruppe angebracht.
3.5 Glocken
Die Glocken stehen als geweihte Musikinstrumente im Dienst der Kirche und der Liturgie. Durch die Verwendung verschiedener Glocken und Glockenzusammenstellungen sollen der liturgische Rang des Tages, aber auch die Bedeutung des jeweiligen Gottesdienstes bzw. Gebetszeit zum Ausdruck gebracht werden. Je nach Anlass werden tiefe oder hohe Einzelglocken und Geläute, dichte oder weitgespannte Zusammenstellungen nach festgelegter Ordnung eingesetzt. Wegen ihrer Bedeutung sind die Glocken meist individuell verziert und mit Inschriften versehen, obgleich man sie in der Regel nicht sehen kann.
1850/51 wurden – wiederum auf Kosten der Gewerkschaft Silberleithen – vier Glocken von Grassmayr in Wilten gegossen. Diese mussten 1916 zu Kriegszwecken eingeschmolzen werden. Als Ersatz dienten die beiden Glocken der Rochuskapelle, bis 1924 wieder vier neue Glocken bei der selben Firma angeschafft werden konnten. Aber auch diese mussten im 2. Weltkrieg abgeliefert werden; nur die große Glocke konnte nach dem Krieg in Brixlegg unbeschädigt aufgefunden werden. Erst 1957 konnte das Geläute nach dem Guss der drei fehlenden Glocken wie der voll erklingen.
Beinahe noch einmal hätte das Geläute verstummen müssen, als man feststellte, dass der Turm beim Läuten zu starke Schwingungen aufwies. Daraufhin wurden 1981 die Glocken mit tiefgekröpften Jochen und Gegengewichtsklöppeln ausgestattet, womit das Problem zunächst beseitigt wurde.
Im Zuge von notwendigen Reparaturarbeiten im Frühjahr 1998 stellte sich heraus, dass die Gegengewichtsklöppel in den Glocken in schlechtem Zustand waren. Sie mussten entfernt und durch neu angefertigte Flugklöppel ersetzt werden. Die ursprünglich in den Glocken montiert gewesenen Flugklöppel waren zwar noch vorhanden, jedoch sehr spröde und rissig, so dass sie nicht mehr verwendet werden konnten. Auch die elektrische Anlage war nicht mehr zeitgemäß und störungsanfällig und wurde daher erneuert.
Name, Hauptbild | Gusstag | Ton | Gewicht | Inschrift |
– | 1924 | des/1 | 1.812 kg | – |
Hl. Maria mit Kind | 25. April 1957 | f/1 | 916 kg | Maria mit dem Kinde lieb, uns allen deinen Segen gib! |
Hl. Florian | 25. April 1957 | g/1 | 619 kg | St. Floria, schütz Habund Gut vor Unwetter und Feuersglut! |
Hl. Barbara | 25. April 1957 | b/1 | 360 kg | Selig die Toten, die im Herrn sterben, denn ihre Werke folgen ihnen nach! |
4 Der Dorffriedhof von Biberwier
Friedhöfe zeugen ebenso wie die Kirche von Geschichte und Kultur eines Dorfes und seiner Bewohner. Sie sind Denkmäler des Todes und gleichzeitig Monumente des Lebens. Der Gedanke des „memento mori“, also „Gedenke des Todes, der Vergänglichkeit der Materie“, ist zwar heute aus dem modernen Alltag weitgehend verbannt: Die fortschrittsorientierte Zeit wünscht den Tod zu verdrängen. Doch das ist vergebens, der Tod lässt sich nicht verdrängen. Wir wollen daher auch einen Blick auf den Biberwierer Friedhof werfen.
In Biberwier werden auch heute noch nach altem Brauch die Verstorbenen rings um die Kirche, dem geistlichen Zentrum des Orts, bestattet. Sehr vielschichtig ist der Personenkreis, der auf dem Friedhof von Biberwier begraben liegt: Priester, Bauern, Bergarbeiter, Bergwerksverwalter, Wirtsleute, Hausfrauen, Sensenschmiede, Dienstpersonal, Kinder, … Eines haben sie alle gemeinsam: Sie waren verbunden mit Biberwier, egal ob sie dort geboren waren oder erst im Laufe ihres Lebens hierher kamen.
Aus einigen Inschriften von Grabsteinen geht der Bezug der Verstorbenen zum Bergwerk von Biberwier hervor: Bergverwalter Arnold Berg (geb. 1876 in Wilgersdorf im Siegerländer Erzrevier, Deutschland; gest. 1925 in Biberwier) sowie die Bergknappen Engelbert Bader (1812–1880; Abb. 10), Simon Bader (1815–1898), Franz Kerber (–1905), Franz Mößmer (1857–1924), Matthias Schennach (1877–1961), Alois Sprenger (1879–1919) und Josef Sprenger (1851–1917).
An den bereits erwähnten Pestfriedhof bei der Rochuskappelle erinnert noch die niedrige Friedhofsmauer.
5 Mariahilf-Kapelle „bei der Schmieden“
Zur Pfarrei Biberwier gehören zwei Filialkirchen: die bereits eingangs beschriebene Rochuskapelle „auf der Geißel“ sowie die Mariahilf-Kapelle „bei der Schmieden“ wenig nördlich von Biberwier am Weg nach Ehrwald. An dieser Stelle stand schon früher eine kleine, von der Bevölkerung gerne besuchte Kapelle. Diese wurde Mitte des 19. Jh. abgebrochen und auf Kosten der Nachbarschaft die heutige Kapelle errichtet; sie ist relativ geräumig und besitzt eine Vorhalle und einen Dachreiter mit einer kleinen Glocke. Am 15. März 1876 wurde vom Fürstbischöflichen Ordinariat Brixen die Erlaubnis zu ihrer Weihe erteilt (18). Ob diese Kapelle einen direkten Bezug zum Bergbau der Gewerkschaft Silberleithen hat, konnte nicht nachgewiesen werden.
6 Umgebung: Pfarrkirche Imst
Im Hinblick auf bergmännische Darstellung an Sakralbauwerken sei abschließend auf die nahegelegene Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Imst hingewiesen, zu deren Gebiet ja der Seelsorgsbezirk Biberwier bis 1423 gehört hat. Erstmals bereits 1305 erwähnt, erhielt sie beim Umbau 1493 ihre heutige Gestalt. Besonders bemerkenswert ist ein einzigartiges Fresko an der südlichen Außenwand aus dem Jahre 1478, das eine Bergbaulandschaft der damaligen Zeit darstellt. Auch das Bergwerk an der Silberleithen wird zu jener Zeit so aus gesehen haben.
7 Schluss
Der Verfasser würde sich freuen, wenn er dem Leser die Kirchen von Biberwier unter einem bislang nur wenig beachteten Gesichtspunkt näherbringen und vielleicht gar zu einem persönlichen Besuch dieser Kirchen anregen konnte. Wollen wir dabei auch innehalten und nicht vergessen, dass diese Kirchen nicht nur Objekte aus Holz und Stein sind, sondern dass hier vor allem Generationen von Menschen bis auf den heutigen Tag ihre Sorgen ebenso wie ihren Dank Gott, dem „Höchsten Bergverwalter“ (wie es in einem bergmännischen Kirchenlied heißt), anvertrauen.
Besonderer Dank für zahlreiche Informationen und freundliche Unterstützung der Arbeit sei gesagt: H. Herrn Pfarrer Herbert Kassebacher, Ehrwald; Generalvikariat und Diözesanarchiv der Diözese Bozen-Brixen; Herrn Dr. Erich Egg, Innsbruck; Bundesdenkmalamt – Landeskonservatorat für Tirol, Innsbruck; Glockengießerei Grassmayr, Innsbruck; Pescoller Werkstätten KG, Bruneck.
Schrifttum
Nachfolgende Literaturliste berücksichtigt nur solche Werke, die für diese Arbeit herangezogen wurden; nicht aufgeführt ist persönlicher Schriftwechsel. Die allgemeine bergmännische und geologische Literatur über den Bergbau an der Silberleithen ist viel umfangreicher .
NN: Die Gewerkschaft Silberleithen bei Biberwier. – In: Der Sammler 1910, S. 119 f.
PESCOLLER, MARKUS (1990): Restaurierungsbericht Biberwier – Pfarrkirche Innenraum. – Unveröff. Bericht vom 25. Januar 1990. Bruneck: Gebr. Pescoller OHG
PESCOLLER, MARKUS (1992): Restaurierungsbericht Biberwier – Pfarrkirche zum HI. Josef – Einrichtung. – Unveröff. Bericht von 1992. Bruneck: Gebr. Pescoller OHG
PFARRAMT BIBERWIER (Hrsg.) (o.J.): Geschichte der Pfarrkirche Biberwier. – Hektographiertes Informationsblatt.
PFARRAMT BIBERWIER (Hrsg.) (o.J.): Die Rochuskapelle „auf der Geißel“. – Hektographiertes Informationsblatt.
PFARRAMT BIBERWIER (Hrsg.) (o.J.): Kurzdokumentation über die Erneuerung der Glocken und Läutanlage unserer Pfarrkirche. – Hektographiertes Informationsblatt.
RAPP, LUDWIG (1891): Topographisch-historisch-statistische Beschreibung der Diözese Brixen mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte und der noch vorhandenen Kunst- und Baudenkmale aus der Vorzeit. Band 5 der von Georg Tinkhauser begründeten Reihe. – Brixen: A. Weger’s Buchhandlung.
SCHWAIGHOFER, HERMANN & JANDL, KARL (1927): Wanderbuch durch das Karwendel, Wetterstein, Rofan und die Mieminger Gruppe. – Innsbruck: Wagner’sche Universitätsbuchhandlung.
Anmerkungen
- Eine Abschrift der Urkunde befindet sich im Konsistorialarchiv Brixen.
- Weiheitinerarium von Fürstbischof Franz von Khuen, Oktober 1688. Dieses Tagebuch der auswärtigen Weihehandlungen des Fürstbischofs befindet sich im Konsistorialarchiv Brixen.
- Rapp 1891, S. 424.
- Zum Vergleich: 1760 kostete ein gutes Essen mit Bier 12 kr. (Kreuzer). Ein Lehrling verdiente 12 kr., ein Vorarbeiter 40 kr. am Tag. 1 fl. (Gulden) entsprach 60 kr. Die angegebenen Beträge waren also recht hoch. Nach freundlicher Information von der Staatlichen Münzsammlung München vom Oktober 1999.
- Urkunde vom 2. März 1804, gegeben vor der Landgerichtsobrigkeit zu Ehrenberg. Konsistorialakten, Lade Biberwier Nr. 7, Diözesanarchiv Brixen.
- So nach einer Urkunde im Turmknopf; wiedergegeben in einem Informationsblatt des Pfarramts Biberwier.
- Rapp 1891, S. 426 f.
- Pontif.-Prot. VII 3 v., Diözesanarchiv Brixen.
- NN 1910
- Rapp 1891, S. 433.
- Rapp 1891, S. 428 f.
- Revers vom 24. Mai 1864, ausgestellt vor dem Dekanalamt Breitenwang. Hier zitiert nach Rapp 1891, S. 430.
- Aktenvermerk des Landeskonservatorats für Tirol vom 30. Juli 1990, Gz. 1861/46/90.
- Schreiben des Landeskonservatorats für Tirol vom 13. August 1990, Gz. 1861/48/90, und Schreiben des örtlichen Komitees zur Renovierung der Pfarrkirche zum Hl. Josef vom 3. August 1990.
- 500 + 5 + 500 + 1 + 50 + 50 + 1 + 5 + 5 + 100 + 1 + 1 + 5 + 5 + 1 + 500 + 100 = 1830.
- Die Erzaufbereitung bestand bis in die 20er Jahre des 20. Jh. und wurde auch in zeitgenössischen Wanderführern erwähnt, z.B.: „Vom Lärchenheim, in schöner Wanderung mit prächtigen Ausblicken, zum Schluss an der Erzaufbereitungsanlage der Gewerkschaft Silberleithen vorbei, nach Biberwier …“ (Schwaighofer & Jandl 1927, S. 183)
- Nach Archivunterlagen der Firma Grassmayr GmbH & Co KG, Innsbruck.
- Rapp 1891, S. 435 f.
aus: Wandinger, M. (2002): Die Kirchen zu Biberwier (Tirol) und ihr Bezug zum Bergbau. – res montanarum, 29:9–17, 10 Abb.
Marcus Wandinger, Christian Wolkersdorfer – offensichtliche Fehler stillschweigend korrigiert und Farbfotos ergänzt 12. Juni 2023