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Geo­lo­gi­sche Ver­hält­nis­se Igels­kar

Ehr­wald liegt in einem geo­lo­gisch beson­ders inter­es­san­ten Gebiet. Zwi­schen Son­nen­spit­ze, Wet­ter­stein und Dani­el tref­fen drei Gesteins­ein­hei­ten auf­ein­an­der, die im Ver­lauf der Gebirgs­bil­dung über­ein­an­der gesta­pelt wur­den. Um die geo­lo­gi­sche Ent­wick­lung zu ver­ste­hen, muss bei der Beschrei­bung der geo­lo­gi­schen Ver­hält­nis­se ein klein wenig über die Gemein­de­gren­zen von Ehr­wald hin­aus geblickt wer­den. Gleich­zei­tig aber kön­nen die Zusam­men­hän­ge oft­mals nur ange­deu­tet wer­den, um den Rah­men die­ser Dar­stel­lung nicht zu über­schrei­ten.

Fast alle Gestei­ne um Ehr­wald ent­stan­den einst­mals am Mee­res­bo­den und bestehen aus Kalk­stein und des­sen Umwand­lungs­pro­dukt, dem Dolo­mit­stein. Dane­ben fin­den sich Sand­stei­ne, Ton­stei­ne, Horn­stei­ne, Rauh­wa­cken, vul­ka­ni­sche Tuf­fe und das Tie­fen­ge­stein Ehr­wal­dit (sie­he eige­nen Bei­trag in die­sem Buch).

Im Ver­hält­nis zum gesam­ten Alter der Erde, das etwa 4000 Mil­lio­nen Jah­re umfasst, stam­men die Gestei­ne in der Umge­bung von Ehr­wald im wesent­li­chen aus zwei rela­tiv klei­nen Zeit­fens­tern. Eines davon begann vor etwa 250 Mil­lio­nen Jah­ren und ende­te vor 130 Mil­lio­nen Jah­ren (Erd­mit­tel­al­ter mit den Erd­zeit­al­tern Tri­as und Jura) wäh­rend das ande­re die letz­ten 10.000 Jah­ren seit dem Ende der Wür­meis­zeit (Teil der Erd­neu­zeit) umfasst. Älte­re Gestei­ne gibt es um Ehr­wald nir­gends und die jün­ge­ren wur­den seit der Alpen­bil­dung vor ca. 35 Mil­lio­nen Jah­ren von Wind, Wet­ter und Was­ser abge­tra­gen. Die­ser Gebirgs­schutt sam­mel­te sich zwi­schen Staf­fel­see und Donau in einem bis zu 5 km tie­fen Becken: dem Molas­se­be­cken.

Zunächst begann die geo­lo­gi­sche Geschich­te Ehr­walds im tro­pi­schen Kli­ma­be­reich, am Rand eines aus­ge­dehn­ten Flach­mee­res, dem Tethys­oze­an. Dort lager­te sich anfäng­lich Mate­ri­al ab, das vom Land aus ins Meer gespült wur­de, bis dann die Meer­was­ser­ober­flä­che anstieg und kalk­bil­den­de Orga­nis­men ihre Besied­lung began­nen. Von den alten, land­na­hen Abla­ge­run­gen gibt es um Ehr­wald kei­ne Vor­kom­men, doch die ers­ten teil­wei­se noch von Land­nä­he zeu­gen­de Mee­res­ab­la­ge­run­gen aus Kalk­stei­nen, Dolo­mit­stei­nen, Rauh­wa­cken und Brek­zi­en sind in einem schma­len Strei­fen zwi­schen Lang­lehn und Igels­kar auf­ge­schlos­sen (Rei­chen­hall Schich­ten). Da sie rela­tiv leicht ver­wit­tern, bil­den sie Schar­ten und Tör­le, wie die Biber­wie­rer Schar­te oder das Taja­törl.

Im nächs­ten Zeit­ab­schnitt ent­steht eine mäch­ti­ge Abfol­ge von dunk­len Kalk­stei­nen, die beim Anschla­gen oft­mals leicht nach Bitu­men rie­chen und durch ihre unebe­nen, wurs­te­li­gen Schich­tober­flä­chen auf­fal­len: der Alpi­ne Muschel­kalk. In den Kalk­stei­nen kom­men unre­gel­mä­ßig aus­ge­bil­de­te, dun­kel­brau­ne bis schwar­ze Horn­stein­k­nau­ern sowie grün­li­che Tuf­fe vor, die auf nahe gele­ge­ne, dem Strom­bo­li ähneln­de Vul­ka­ne hin­deu­ten. Die­se Abfol­ge ent­stammt einem fla­chen, sau­er­stoff­rei­chen Mee­res­be­reich, in dem Rif­fe und Becken mit­ein­an­der abwech­sel­ten. Ver­stei­ne­run­gen sind, wie fast über­all im Ehr­wal­der Gebiet, sel­ten, wohin­ge­gen die Lebens­spu­ren von Mee­res­or­ga­nis­men (Rhi­zo­co­ral­li­um) häu­fig sind, beson­ders in der Umge­bung der Wie­ner Neu­städ­ter Hüt­te. Wei­te­re Gebie­te mit gro­ßen zusam­men­hän­gen­den Gestei­nen gibt es am Dra­chen­see, Vor­de­ren Taja­kopf, im hin­te­ren Igels- und Brendl­kar und am Ehr­wal­der Köpfl. Von dort aus zie­hen sie als gut erkenn­ba­re dunk­le Gestei­ne den gesam­ten unte­ren Bereich des Wet­ter­steins ent­lang.

Zeit­lich danach bil­de­te sich die Part­nach Schich­ten, die in Ehr­wald als dunk­le Par­tie im unte­ren Bereich des Wet­ter­steins zu sehen sind; beson­ders schön jedoch in der Schwär­ze zwi­schen Mari­en­berg­spit­zen und Wam­per­tem Schr­ofen.

Dann begann im fla­chen Meer­was­ser die Ent­wick­lung des Riffs in dem klei­ne Kalk­al­gen sowie Koral­len leb­ten und die wich­tigs­ten Gestei­ne Ehr­walds auf­bau­ten: den Wet­ter­stein­kalk. Deut­lich hebt sich die­ser meist hell­wei­ße und wit­te­rungs­be­stän­di­ge Kalk­stein von den ande­ren Gestei­nen ab und bil­det die mar­kan­ten Gip­fel des Mie­min­ger und des Wet­ter­stein Gebir­ges. Son­nen­spit­ze, Igels­kopf oder die Zug­spit­ze bestehen aus die­sem Gestein. Da der Wet­ter­stein­kalk nur weni­ge Pflan­zen­nähr­stof­fe ent­hält, sind sei­ne Schutt­hal­den meist unbe­wach­sen und cha­rak­te­ri­sie­ren so das Land­schafts­bild ober­halb der Baum­gren­ze. Eine Beson­der­heit im Wet­ter­stein­kalk sind die sil­ber­hal­ti­gen Blei- und Zink­er­ze, die im Mie­min­ger Gebir­ge und an der Sil­ber­lei­te berg­män­nisch gewon­nen wur­den.

Nach dem Ende der Riff­ent­wick­lung, macht sich erneut die Land­nä­he bemerk­bar und es folgt zunächst eine Serie von Sand­stei­nen und Schie­fer­to­nen (Raibl Schich­ten) und dann graue und brau­ne Dolo­mit­stei­ne und Kal­ke, die wei­te Berei­che der Thör­len, den Dani­el oder den Gru­big­stein auf­bau­en: der Haupt­do­lo­mit und Plat­ten­kalk. Bei die­sen gut gebank­ten dunk­len Gestei­nen han­delt es sich um Abla­ge­run­gen aus einem schli­cki­gen Flach­meer mit hohem Salz­ge­halt.

Noch blieb das fla­che Meer erhal­ten und es folg­te eine Gesteins­se­rie, die haupt­säch­lich aus dunk­len Ton­stei­nen bestehen und in die ver­schie­dent­lich fos­sil­rei­che Bän­ke zwi­schen­ge­schal­tet sind. Die­se Kös­sen Schich­ten kom­men in Ehr­wald-Ober­moos und an den Issen­tal­köp­fen vor, wo sie frucht­ba­re, tonig schlam­mi­ge Böden bil­den.

Mit die­sen Gestei­nen endet das Erd­zeit­al­ter der Tri­as und es beginnt der Jura, des­sen Abla­ge­run­gen in Ehr­wald zwar an vie­len Stel­len vor­kom­men, aber nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spie­len. Sie wur­den im Lauf der Jahr­mil­lio­nen weit­ge­hend abge­tra­gen und sind nur an eini­gen geschütz­ten Stel­len erhal­ten. Daher ist ihre Bespre­chung hier kurz gehal­ten.

Im Jura wech­seln sich Flach­was­ser­be­rei­che, in denen toni­ge Kal­ke (All­gäu Schich­ten) ent­stan­den, und Tief­see­re­gio­nen mit kie­sel­säu­re­rei­chen Abla­ge­run­gen (Radio­la­ri­te) ab. Gele­gent­lich las­sen sich schön aus­ge­bil­de­te Ammo­ni­ten (Ammons­horn) fin­den. Inner­halb die­ser Abla­ge­run­gen kommt das alters­mä­ßig jün­ge­re, schwar­ze Gestein vor, des­sen Name den Ort Ehr­wald in alle bedeu­ten­den Abhand­lun­gen über Gestei­ne gebracht hat: der 1866 von Adolf Pich­ler ent­de­cke Ehr­wal­dit.

Extre­me Kräf­te, die bis heu­te wir­ken, began­nen vor ca. 35 Mil­lio­nen Jah­ren die Gesteins­ein­hei­ten um eini­ge hun­dert Kilo­me­ter nach Nor­den zu drü­cken und sie aus dem Meer her­aus zu heben. Die­se Gebirgs­bil­dung riss die einst­mals über­ein­an­der gele­ge­nen Abla­ge­run­gen aus ihrem Ver­band und fal­te­te schließ­lich die Alpen auf.

Zu die­sem Zeit­punkt lagen über dem heu­ti­gen Ehr­wald noch eini­ge Kilo­me­ter Gestein und eini­ge hun­dert Meter Was­ser, sodass die Gestei­ne dar­un­ter durch den Über­la­ge­rungs­druck beim Zusam­men­schie­ben nicht aus­ein­an­der bre­chen konn­ten, son­dern sich in Fal­ten leg­ten oder über­ein­an­der sta­pel­ten. Der Steil­ab­fall vom Mie­min­ger Gebir­ge ins Ehr­wal­der Becken oder die Leu­t­asch ist die Front eines sol­chen Sta­pels, der als Inn­tal­de­cke bezeich­net wird. Eine Teil davon ist die Wet­ter­stein­teil­de­cke und bei­de zusam­men lie­gen auf jün­ge­ren Gestei­nen der Lech­t­al­de­cke.
Im Ehr­wal­der Moos tref­fen die Bewe­gungs­bah­nen und Fal­ten­ach­sen der Lech­t­al­de­cke und Inn­tal­de­cke mit einer geo­lo­gi­schen Schwä­che­zo­ne, der Loi­sach­stö­rung, zusam­men. Dies hat­te zur Fol­ge, dass die Gestei­ne stär­ker zer­stört wur­den als anders­wo und sie somit leich­ter ver­wit­tern und vom Was­ser abge­tra­gen wer­den konn­ten. Folg­lich ist das Ehr­wal­der Moos kei­ne abge­sun­ke­ne Gebirgs­schol­le. Bei den rela­tiv jun­gen Abla­ge­run­gen im bis zu 70 m tie­fen Moos han­delt es sich über­wie­gend um Schot­ter, Kies, Lehm, Humus und Torf, der bei Ler­moos sogar ein­mal für die Blei-Zink-Hüt­te der Gewerk­schaft Sil­ber­lei­ten in Biber­wier ver­wen­det wer­den soll­te.

Den letz­ten Schliff erhiel­ten die Ber­ge und Täler um Ehr­wald in der Wür­meis­zeit. Etwa 1000 Meter hoch stand das Eis des Loi­sach­glet­schers in Ehr­wald und nach dem Abtau­en des Eises vor ca. 10.000 Jah­ren hin­ter­ließ der Glet­scher die typi­schen eis­zeit­li­chen Gelän­de­for­men: die Morä­nen. Beson­ders schön zu sehen sind die­se im Lär­chen­wald, auf den Thör­len (wo sogar Gestei­ne zu fin­den sind, die der Glet­scher aus dem Ötz­tal mit­brach­te) oder zwi­schen dem Son­nen­hang und Ehr­wald-Hof.

Am Ende der Eis­zeit bil­de­ten die übrig blei­ben­den Eis­res­te in den Ber­gen die typi­schen Kare, in denen die let­zen Morä­nen der Glet­scher erhal­ten blie­ben. Seit dem hat sich das Land­schafts­bild um Ehr­wald nur noch wenig ver­än­dert. Gele­gent­lich kommt es zu klei­ne­ren Geröll­la­wi­nen, Fels­stür­zen oder Mur­ab­gän­gen. Was­ser, Eis und Wind grei­fen nach wie vor die Gestei­ne an, trans­por­tie­ren deren Schutt über die Wild­bä­che ins Tal hin­ab und hal­ten die Tat­sa­che wach, dass die geo­lo­gi­schen Pro­zes­se bis heu­te andau­ern.

Chris­ti­an Wol­kers­dor­fer 26. April 2007